ANISA, Verein für alpine Forschung (www.anisa.at)

 

Forschungsberichte der ANISA für das Internet. 3, 2014 (ANISA FB I. 3, 2014)

Datierung des nordwestlichen Steinhags auf der Viehbergalm mit Hilfe der Denudation

Dachsteingebirge, Steiermark

 

1. Internetbeitrag zum Thema Denudation und Datierung

Franz Mandl (21.04.2014)

 

In einem ersten Beitrag (vgl. F. Mandl, 2014, 49-64) wurde Grundsätzliches zur Datierung von anthropogenen Strukturen aus Kalkgestein aus dem geologischen Zeitalter der Trias mithilfe der Denudation dargelegt. Nun folgt eine erste Ergänzung zur Entwicklung dieser relativen Datierungsmethode.

Die Klimaerwärmung macht es möglich. 2014 konnte erstmals bereits um den 20. April auf Dachsteinalmen Feldforschung betrieben werden. Auf der zu Fuß leicht erreichbaren, 1440 m hoch gelegene Viehbergalm, gibt es Reste eines Steinhags, die sich für eine Denudationsdatierung eignet.

Auf der Viehbergalm steht überwiegend gebankter Dachsteinkalk an. Nur an der Nordwestseite ist dolomitisierter Dachsteinkalk vorhanden, der durch einen felsdurchsetzten Hang in diesem Bereich aufgeschlossen ist. In der Viehbergalm findet sind Moränenschutt aus Kristallingeschiebe und Dachsteinkalk, der durch die Gletscher der Nacheiszeit eingetragen worden ist. Auffällig sind auch die vielen Kalksteinblöcke, die ursprünglich die Oberfläche der heutigen Alm bedeckten und nach der Rodung auch für die Errichtung von Steinhagen verwendet wurden. Diese Blöcke bestehen aus gebanktem Dachsteinkalk und sind vom zurückweichenden Plateaugletscher des Dachsteins vor annähernd 14.000 Jahren zurückgelassen worden. In Laufe der Zeit wurden die meisten Steine zu Legesteinehaufen im Randbereich der Almwiesen zusammengetragen, um das Mähen der Wiesen zu erleichtern. Ursprünglich wurden mit Steinwällen auch die Wiesen eingefriedet und die Besitzungen abgegrenzt. Da dafür inzwischen moderne Weidezäune (Stacheldraht, Elektrozaun) verwendet werden, verfielen die Steinhage und wurden tw. auch maschinell beseitigt, sodass nur noch Reste vorhanden sind. Ein solcher befindet sich an der Nordwestseite der Alm nahe der ersten Almhütte.

 

Denudation von Kalkgestein auf dem Dachsteingebirge. Datierungsversuche mit Kantenauflösungen von einem Steinhag auf der Viehbergalm. ANISA, Franz Mandl 2014

Abb. 1: Legesteinhaufen. Zur Gewinnung von Weiden und leicht mähbaren Wiesen wurden die Steine ausgegraben und am Rande zu Haufen aufgetürmt. 

 

Denudation von Kalkgestein auf dem Dachsteingebirge. Datierungsversuche mit Kantenauflösungen von einem Steinhag auf der Viehbergalm. ANISA, Franz Mandl 2014

Abb. 2: Vom Gletscher der ausgehenden Eiszeit abgelegter Steinblock aus gebanktem Dachsteinkalk

 

Mehrere große Blöcke, die seit dem Ende der Eiszeit unverrückt liegen, wurden für eine Basisdenudationsmessung herangezogen. Hier zeigen sich im Vergleich zu den Denudationsgrößen auf dem waldfreien Hochplateau erhebliche Unterschiede, die durch die Jahrtausende lange Waldbedeckung auf der Viehbergalm, die die Steine vor Niederschlägen schützte und dadurch die Denudation erheblich verlangsamten, erklärbar sind. Die Denudation auf dem Hochplateau seit dem Gletscherrückgang beträgt annähernd 150 mm, die auf der Viehbergalm nur zwischen 50 und 60 mm. Diese Ergebnisse können für die Denudationsdatierung des Hags jedoch nicht herangezogen werden, da die Steine des Hags nach der Rodung ungeschützt den Niederschlägen ausgesetzt waren. Deshalb wird der Denudationsbetrag für eine Datierung des Hags vom errechneten Wert des Hochplateaus verwendet. Dieser beträgt 0,01 mm/Jahr.

 

Denudation von Kalkgestein auf dem Dachsteingebirge. Datierungsversuche mit Kantenauflösungen von einem Steinhag auf der Viehbergalm. ANISA, Franz Mandl 2014

Abb. 3: Vom abschmelzenden Eiszeitgletscher abgelegter Steinblock aus gebanktem Dachsteinkalk mit standortfremden Karrenresten. Diese haben sich auf einem mehrere Kilometer weit entfernten Standort auf dem Hochplateau gebildet. Auch an der linken Vorderseite sind drei senkrechte Karrenrest vorhanden.

 

Denudation von Kalkgestein auf dem Dachsteingebirge. Datierungsversuche mit Kantenauflösungen von einem Steinhag auf der Viehbergalm. ANISA, Franz Mandl 2014

Abb. 4: Detail einer Karre des obigen Bildes. Die abgerundeten Kanten einer heute noch 12 cm tiefen Karre

 

Denudation von Kalkgestein auf dem Dachsteingebirge. Datierungsversuche mit Kantenauflösungen von einem Steinhag auf der Viehbergalm. ANISA, Franz Mandl 2014

Abb. 5: Rest des 35 m langen Steinhags im Nordwestbereich der Viehbergalm. Die Höhe beträgt im nördlichen Bereich 1460 m, im südlichen Bereich 1451 m.

 

Denudation von Kalkgestein auf dem Dachsteingebirge. Datierungsversuche mit Kantenauflösungen von einem Steinhag auf der Viehbergalm. ANISA, Franz Mandl 2014

Abb. 6: Bauerngrenzen mit ihren Hütten und Angern. Der datierte Hag grenzt die Grundstücke 1090 und 1091 ab. Riedkarte des Franziszeischen Katasters von 1824. Maßstab der Aufnahme 1 : 2880. Die Länge der Abbildung entspricht 440 m in der Natur. Steiermärkisches Landesarchiv. Repro: Franz Mandl

 

Die Messwerte von 14 Steinen des Hags haben folgende Kantenauflösungen ergeben: 12, 10, 12, 11, 12, 6, 6, 10, 8, 10, 10, 10, 14, 15 mm. Dazu wurden die bei der Errichtung des Hags neu entstandenen Kanten herangezogen. Diese Auswahl erfolgte nach der Erfahrung des Messers und ist daher bis zu einem gewissen Grad subjektiv. Um bei diesem Beispiel ein Datierungsergebnis zu erhalten, werden die Messwerte addiert, was einen Gesamtwert von 146 mm ergibt, der wiederum mit der Anzahl der Messungen dividiert wird. Dieser Durchschnittswert von 10,42 mm wird mit 0,01 mm/Jahr dividiert. Das ergibt ein Alter von 1042 Jahren. Dazu kommen Ungenauigkeiten, die in diesem Fall mit 45 % veranschlagt werden. Dieser Wert wird aus der Differenz zwischen niedrigstem und höchstem Meßergebnis errechnet. 15 mm minus 6 mm= 9 mm : 0,01= 900 Jahre : 2= 450 Jahre. Der Datierungswert ist deshalb als eine Größe von "1042 Jahre +/- 450 Jahre" darzustellen.

Bezeichnet man erheblich abweichende Messergebnisse als Ausreißwerte und streicht die Werte 6, 14 und 15 mm, so erhält man 10 Messergebnisse mit einem Durchschnittswert von 105 mm. Das ergibt ein Alter von 1050 Jahre. Die Ungenauigkeit beträgt jedoch nur noch 4 mm : 0,01 mm/Jahr= 400 Jahre : 2= 200 Jahre. Der Datierungswert ist als eine Größe von "1050 Jahre +/- 200 Jahre" darzustellen.  Das gemittelte Alter ist in beiden Fällen dasselbe und würde in das zu Ende gehende Frühmittelalter weisen.

 

Zur Geschichte der Viehbergalm

Die Viehbergalm wird in Urkunden erstmals 1486 genannt (W. Abrahamczik, 1962, 51). Auch die spärlichen Keramikfunde datieren lediglich bis in das 15. Jahrhundert (J. Kraschitzer/F. Mandl, 2009, 106). Die früheste Nennung eines Hofes, der ein Almrecht auf der Viehbergalm hat, erfolgte bei der Gründung des Stiftes Admont 1074, das eine Hube in Winkel - wahrscheinlich vlg. Ritzinger - erhielt. Im oberen Ennstal ist Besitz des Erzstiftes Salzburg bis in das 10. Jahrhundert zurück urkundlich nachweisbar.

 

 

Literatur:

ABRAHAMCZIK, Walter (1962): Die Almen und Wälder im steirischen Teil des Dachsteinstockes in ihrer historischen Entwicklung. In: Centralblatt für das gesamte Forstwesen. Organ der forstlichen Abteilung der Hochschule für Bodenkultur und der forstlichen Bundesversuchsanstalt Mariabrunn in Wien. Geleitet von H. Kuhn. 79. Jg./Heft 1-2, 1962, S. 51.

Geologische Karte der Dachsteinregion. 1 : 50.000. Beilage 1. Archiv für Lagerstättenforschung der Geologischen Bundesanstalt, Band 21. Wien 1998.

KRASCHITZER, Johanna/Franz MANDL (2009): Keramik von Almen des Dachsteingebirges und des Toten Gebirges, Forschungsberichte der ANISA 2, Haus i. E. 2009, S. 106.

MANDL, Franz (2014): Die Denudation des Dachsteinkalks als Datierungshilfe für die hochalpine Wüstungsforschung. Bausteine Hüttenstrukturen, Viehpferche, Steinmarkierungen und Wasserbecken. In: Forschungsberichte der ANISA 2, Haus i. E. 2014, S. 49-64.

 

Alle Fotos von Franz Mandl, ANISA, Verein für alpine Forschung

 

 

 

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