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Schladminger und Hallstätter Gletscher, Dachsteingebirge

Gletscherzustandsbericht 2011

von Franz Mandl

 

Der Sommer 2011 zeigte einen sehr unterschiedlichen Witterungsverlauf. Mehrmals wechselten heiße Tage mit Kälteeinbrüchen und Schneefällen bis auf 1800 m. Um den 27. Juni kam es zu ersten Ausaperungen am Gjaidsteinsattel. Der Juli bot für die Gletscher eine durchaus akzeptable Situation mit einem geringen Abschmelzvorgang. Erst vom 10. bis 26. August folgten mehrere Tage mit bis zu 33 °C im Tal. Auf den Gletschern gab es Temperaturen von bis zu 15 °C. Auch mehrere Nächte mit Plusgraden setzten den Gletschern zu. Ein Kälteeinbruch brachte am 19. September Schnee bis ins Tal. Auf den Gletschern gab  es bis zu 1 m Neuschnee. Ein neuerlicher Wärmeeinbruch hat auch diesen Neuschnee bis zum 07. Oktober stark zugesetzt und großteils sind die Gletscher neuerlich ausgeapert. Am Messstein konnte eine weitere Eisdickenabsenkung festgestellt werden.

Die Eisdicke des Gletschers verringerte sich am Messstein (zwei Messstellen, 16. 09. 2011) von 2010 auf 2011 um 1,4 m bis 1,8 m. An Länge verlor der Gletscher lediglich 0,20 m und 3,00 m, da derzeit eine Absenkung des mehrere Meter hohen anstehenden Eises bei den Messmarken 2008 bis 2011 erfolgt. 

Vom höchsten Punkt des Messsteins, auf dem sich die Gletschermarke von 1947 befindet, bis zur aktuellen Marke von 2011 verkürzte sich der Gletscher in den vergangenen 57 Jahren um 67,2 m. Die Eisdickenabsenkung beträgt 16 m. In den 8 Jahren von 2003 bis 2011 ist der Eishang des Schladminger Gletschers in diesem Bereich um 54 m zurückgewichen. Die Messungen ergaben in den letzten 10 Jahren eine durchschnittliche Eisdickenabsenkung  von 1 m pro Jahr. Zusammengefasst können wir eine Beschleunigung des Gletscherrückganges und eine stark abnehmende Eismasse für die Gletscher im letzten Jahrzehnt feststellen.

Auf dem etwa 100 m höher gelegenen Gjaidsteinsattel haben wir ähnliche Verhältnisse wie bei unseren Messsteinen am Rand des Schladminger Gletschers vorgefunden. 1938 (ÖAV-Kartographie) reichte das Eis noch bis 2647 m auf den Gjaidsteingrat hinauf, 2011 nur noch bis auf 2630 m (Hand-GPS-Messung).

 

Dachsteinpanorama 2011.© ANISA 

Dachsteinpanorama vom Gjaidstein mit Hallstätter Gletscher. Von links nach rechts: Koppenkarstein (2863 m), im Vordergrund Gjaidstein, Hunerkogel (2687 m), Dirndln (2818 m), Jausenstation Dachsteinwarte( 2741 m), Hoher Dachstein (2995 m), Eisstein (2654 m), Hohes Kreuz (2837 m). Immer öfters kommen Felsen zum Vorschein. Foto: 16.09.2011

 

Schladminger Gletscher Messstein 2011. © ANISA 

Schladminger Gletscher. Gletscherstand am Messstein, 25.08. und 16. 09. 2011 Die Eisdickenabsenkung beträgt Insgesamt 1,4 m. Messlattenhöhe 3 m. Von 2008 bis 2011 schmolzen 4,1 m Eis ab. Wir befinden uns bereits im Pistenbereich. Durch die künstlichen Schneeverfrachtungen mit den Pistenraupen, ist mit Verzögerungen im Abschmelzprozess zu rechnen. Foto: 16.09.2011

 

Gjaidsteinsattel 2011. © ANISA 

Gletscherstand am Gjaidstein. Auch hier schmilzt die Eisdecke seit mehreren Jahren jährlich um etwa 1m ab. Laut dem Motto des Betreibers "Macht was ihr wollt" ignorieren die Besucher Absperrungen. Foto: 16.09.2011

 

Dachstein Eispalast 2011. © ANISA 

Gletschersituation am Eispalast. Mit einer Abdeckplane versucht man den Eispalast vor dem Wegschmelzen zu retten. Die Abdeckplanen werden von Jahr zu Jahr größer. Leichentücher für den abschmelzenden Gletscher. Ein Trauerspiel für einen extremen, überbordenden und uneingeschränkten hochalpinen Massentourismus der Tourismusregion Schladming-Dachstein. Foto: 25.08.2011

 

 Dachstein Eispalast 2011 .© ANISA

Gletschersituation am Eispalast drei Wochen später. Die Abdeckplane wird abgenommen. Die ausapernden Liftstützen werden eingemessen. Im Westteil der Anlage des Eispalastes ist ein Teil der Schneedecke eingebrochen. Dabei wurde technische Einrichtung zerstört. Foto: 16.09.2011

 

Dachstein Eispalast 2011. © ANISA

Durch eingestürzte Schneedecke zerstörte technische Einrichtung im Westen des Dachstein-Eispalastes. Foto: 16.09.2011

 

Dachstein Gjaidsteinsattel 2011. © ANISA

Am Gjaidsteinsattel aperten die Liftstützen aus. Eine Pistenraupe sichert die bereits verzogene Liftstütze. In der Mitte des Bildes ist eine mit rußigem Schnee verfüllte Gletscherspalte zu sehen. Foto: 25.08.2011

 

Dachstein. Sicherungsarbeiten mit Eisverfrachtung für die Liftstützen. 2011 © ANISA

Abschmelze verhindern. Eine Pistenraupe schleudert zerkleinertes Eis auf den Sockel einer Liftstütze. Foto: 25.08.2011

 

Eissee am Schladminger Gletscher 2011. © ANISA 

Der temporäre Eissee am Schladminger Gletscher vergrößert sich um die Mittagszeit. Foto: 16.09.2011

 

Dachstein. Zunge des Hallstätterr Gletscher 2003. © ANISA         Zunge Hallstaetter Gletscher 2011. © ANISA

Zunge des Hallstätter Gletschers 2003. Foto: 03.08.2003                    Zunge des Hallstätter Gletschers 2011. Sehr gut ist der Rückgang anhand der Geländestrukturen zu erkennen. Foto: 16.09.2011

 

Dachstein. Der ausgeaperte Bereich des Gjaidsteinsattels. 2003. © ANISA         Gjaidsteinsattel 2011

Gjaidsteinsattel/Hallstätter Gletscher 2003. Erstmals apern Felsen aus.          Gjaidsteinsattel 2011. Die Felsen (neben den Liftstützen) sind in den letzten 8 Jahren bis zu 15 m hoch ausgeapert. Eine beachtliche Verringerung der Massenbilanz des Gletschers. Foto: 16.09.2011

 

Dachstein.Hallstätter Gletscher.  Flaniermeile 2011. © ANISA

Die "Flaniermeile" zur Dachsteinwarte ist auf weiten Strecken ungesichert und "inspiriert" bergunkundige, mangelhaft ausgerüstete Wanderer zu Ausflügen in gefährlichen Spaltenzonen. Am 25. August 2011 stürzte ein Tourist in eine Gletscherspalte. Mit dem Werbeslogan des Betreibers "Macht was ihr wollt!" werden die Touristen in die hochalpine Bergwelt entlassen. Auf schlecht gesicherten Wegen, nicht markierten Zustiegen auf Gletschern zu den Klettersteigen sind unerfahrene Wanderer und Bergsteiger unterwegs. Eher unauffällige Hinweisschilder, den Gletscher nur mit entsprechender Ausrüstung zu betreten, entkräften zwar den Werbeslogan "Macht was ihr wollt!" Doch wer nimmt sich die Zeit, einen Schilderwald zu studieren, noch dazu, wenn er 31,00 Euro für die Berg- und Talfahrt bezahlt hat? Foto: 26.08. 2010

 

Dachstein Hunerkogel. Rolltreppe. 2011.  © ANISA

2011 ging das überdachte Förderband (Skyline) auf den Hunerkogel als bequeme Aufstiegshilfe für die Touristenmassen in Betrieb. 1970 reichte der Gletscher bis zum Neuerbauten Förderband. Dieser Neubau widerspricht in allen Belangen dem Regelwerk "Natura 2000", der "Alpenkonvention" und dem "Natur- und Landschaftsschutzschutz". Doch in Österreich werden Sonderbehandlungen mit Ausnahmegenehmigungen angestrebt. So wie in vielen weiteren Bereichen der Wirtschaft und Politik. Foto: 25.08.2011

 

Dachstein. Ausgeaperte Liftstützen 2011. © ANISA

Ausgeaperter verrußter Eishügel mit Liftstützen. Foto: 16.09.2011

 

Ansicht. Hunerkogel 2011. © ANISA

Vertechnisierung der Natur auf dem Dachsteingebirget. Foto: 16.09.2011

 

Die unter Schutz gestellten Räume unserer Bergwelt erleben eine noch nie dagewesene Ausbeutung. Vorbei sind die Zeiten, als die Natur noch ein Selbstläufer war und Bergwanderer und -sportler sich mit ihr begnügten. Der Selbstläufer Natur bringt jedoch zu wenig Profit. Die Geldverteilung der althergebrachten Sommerfrische war sozial ausgewogener als im heutigen Turbotourismus. Die Natur muss nun von Firmen und Konzernen inszeniert werden. Die Menschen werden in Inszenierungskanäle getrieben und müssen für oftmals fragwürdige Attraktionen, die noch vor nicht allzu langer Zeit kostenlos konsumiert werden konnten, viel Geld bezahlen.

 

 

Editorial

Seit nunmehr 15 Jahren wird von der ANISA der seit 1969 touristisch genutzte Schladminger und Hallstätter Gletscher aus der Sicht des Natur- und Umweltschutzes und des Gletscherrückganges beobachtet. Dabei fällt auf, dass sich das zerstörende Potential an Naturverbrauch und Umweltbelastung durch die steigende Vermarktung der Gletscher stark erhöht hat. War 1996 der Gletscher vor allem durch Altlasten der 1970er und 1980er Jahre kontaminiert, kamen zwischen 2000 und 2011 vor allem Neubauten mit dem Ziel, höhere Besucherzahlen zu erzielen, hinzu. Neben neu errichteten Liften gesellte sich der "Eispalast". Dieser mit hohem Energieaufwand gekühlte Märchenstollen im seichten Eis des Gjaidsteinsattels wurde ursprünglich mit Eisfiguren aus dem deutschen Tiefland ausgestattet. Seit einigen Jahren wird im Rahmen der Gästekarte der sonst sehr teure Tagesausflug zu den Gletschern kostenlos angeboten. Dadurch ist dieses Ziel schlichtweg der Renner des extremen Massentourismus geworden. Aus wirtschaftlicher Sicht ist dieses Angebot, das mit Subventionen, die wiederum mit Krediten finanziert werden, als unseriöses Geschäft zu werten. Aus diesem forcierten Touristenstrom resultieren weitere Begehren der hoch subventionierten Tourismuswirtschaft. Darunter der Ausbau der Straßen im Ennstal, natürlich wiederum mit auf Krediten gestützten Subventionen, die niemals zurückbezahlt werden können. Kapital das zu einem Teil den Bildungseinrichtungen und den sozialen Netzwerken entzogen wird. Schulden, die unsere Jugend und nachfolgenden Generationen in die Armut treiben wird. 

Der gewissenlose Umgang des Massentourismus mit der Natur und mit unserer Umwelt fördert Emissionen und den weiteren Anstieg der Treibhausgase. Allen Klimakatastrophen zum Trotz wird weiter gewirtschaftet, als ob es kein Morgen zu geben brauchte. Die großen Katastrophen finden noch fern vom Ennstal statt. Aber auch diese werden einmal Schladming und seinen Massentourismus erreichen. Schuld an einer Umweltkatastrophe sind aber immer die anderen! Der Massentourismus verträgt und akzeptiert keine Kritik, sucht nach gefälligen Klimaprognosen, die in das wirtschaftliche Konzept passen, holt bezahlte Gutachten von Lobbyisten und Fachleuten ein; erwartet die Genehmigungen seiner Bauvorhaben von den Ämtern; boykottiert sanfte Alternativen; informiert interessensbezogen; schafft in der Medienlandschaft Abhängigkeit und Zensur durch laufend bezahlte Werbeeinschaltungen; verdrängt Verantwortung in die Verantwortungslosigkeit. Der österreichische Massentourismus ist durch die überstrapazierte Verquickung zwischen Politik, Wirtschaft und Verwaltung möglich geworden.

In unserem Gletscherarchiv befindet sich eine umfangreich Sammlung an historischen Bild- und Kartenmaterial. Interessenten melden sich bei: anisa@anisa.at

 

Ergänzungen vorbehalten!

Meinungen zu diesem Bericht senden Sie bitte an: franz.mandl@anisa.at 

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