© ANISA
Wir feiern:
LACKENMOOSALM
1984-2014
30 Jahre archäologisch-interdisziplinäre Forschungsprojekte auf dem Dachsteingebirge
von Franz Mandl
1984 wurde nach mehrjährigen Vorbereitungsarbeiten das erste interdisziplinäre Forschungsprojekt zur Erforschung der Almwirtschaftsgeschichte in den österreichischen Alpen von der ANISA, Verein für alpine Forschung, ins Leben gerufen. Als Partner luden wir damals das Institut für Realienkunde in Krems ein, dessen Vorstand Herr Univ. Prof. Dr. Harry Kühnel seine Archäologin Frau Dr. Brigitte Cech kostenlos zur Verfügung stellte. Mit diesem Projekt auf der Lackenmoosalm wurde die hochalpine Almarchäologie (Wüstungsforschung) in Österreich etabliert. Es hat bis heute viele Nachahmer gefunden.
Disziplinen und Mitarbeiter auf der Lackenmoosalm
Idee und Organisation: Franz Mandl
Archäologie: Frau Dr. Brigitte Cech/Franz Mandl
Archäozoologie: Dr. Erika Kanelutti/Univ. Prof. Dr. Gernot Rabeder
Botanik: Mag. Imma Lachini/Univ. Prof. Dr. Josef Poelt
Feldforschung und Entdeckungen: Franz Mandl
Geomorphologie: Mag. Dr. Günter Graf
Geschichte: Mag. Dr. Herta Mandl-Neumann
Pollenanalyse: Univ. Doz. Roland Schmidt
Redaktion und Satz des ersten Druckwerkes der ANISA: Univ. Prof. Dr. Gerhard Jaritz
Volkskunde: Ing. Franz Stadler
Unterstützende Mitarbeiter und Grabungshelfer
Armin
Baumgartner, Wien; Hans-Jürgen Gruber, Haus i. E.; Margit Holzer, Maria
Ein Teil der Mitarbeiter vor dem Lackenofen. Grabung Lackenmoosalm 1984
Bei allen Genannten möchte ich mich 2014 über das damals noch nicht existierende Internet für die unentgeltlich geleisteten 2500 Arbeitsstunden auf das Herzlichste bedanken. Sie alle haben zum Gelingen des "Expeditionsprojektes" bei Regen, Schneefall und Wind auf 2000 m Höhe beigetragen. Sie alle haben wochenlang in Zelten geschlafen und von großteils gespendeten Lebensmittel im Küchenzelt überlebt. Diese Leistungen könnte man heute keinen Mitarbeiter mehr abverlangen. Die fröhliche Zusammenarbeit und die von Handys ungestörten abendlichen Gespräche (damals gab es noch keine Handys!) bleiben in dankbarer Erinnerung.
Die Kosten für Transport, Ausrüstung, Verpflegung und dem Druck des Forschungsberichtes "Dachstein. Die Lackenmoosalm" beliefen sich auf 80.000.- ÖS, die zur Hälfte von der ANISA selbst finanziert werden mussten. Umgerechnet kostete das Projekt 6.000.- Euro. Mit dieser finanziellen Ausstattung könnte heute kein Projekt in diesem Ausmaß, noch dazu inklusive der Druckkosten des Forschungsberichtes, durchgeführt werden. Ich würde einmal schätzen, dass ein vergleichbares Projekt, dass ebenfalls mit Idealismus durchgeführt werden würde, etwa 25.000.- Euro kostet. Für die finanzielle Förderung bedanke ich mich beim Land Steiermark, Abteilung für Wissenschaft und Forschung und den Gemeinden Gröbming, Haus im Ennstal, Ramsau am Dachstein und Schladming und unseren Mitgliedern, die das Projekt zur Hälfte finanzierten.
Ergebnisse
Vorweg, das Lackenmoosalm-Projekt war ein großer Erfolg für die Österreichische Geschichtsforschung. Die geplanten Ausgrabungen konnten in der Alm (mittelalterliche Hüttstatt) trotz des mäßigen Wetters ausgeführt werden. Vier Schnitte, von denen ein Schnitt durch den Almboden geführt wurde, und drei Hütten wurden archäologisch erforscht. Die Nutzung der Alm erfolgte demnach seit dem 14. Jahrhundert. Am Fuße des Lackenofens konnte ein Steinbau ausgegraben werden. Dieser Bau wird als kleines Hospiz für Säumer von der Ramsau nach Hallstatt und umgekehrt interpretiert. Die Nutzung des Steinbaues erfolgte vom 12. bis in das 15. Jahrhundert, also bereits zwei Jahrhunderte vor der Almgründung in der Lackenmoosalm selbst. Dass auch hier Almwirtschaft betrieben wurde, ist sehr wahrscheinlich, da die Säumer mit Essen versorgt werden mussten. Die Befunde weisen darauf hin.
Schnitt durch den Boden der Lackenmoosalm. Grabung Lackenmoosalm 1984
Milchleiter. Dieses Gerät diente als Halterung für den Seihtrichter (Milchfilter). Grabung Lackenmoosalm 1984
Keramikscherben von Tongefäßen. Grabung Lackenmoosalm 1984
Medizinfläschchen. Grabung Lackenmoosalm 1984
Hospiz und Alm in einem. Die schwarzen Flecken bestehen aus Asche und Holzkohle. Ein Beleg für die starke Verwendung dieser zweiräumigen Hütte. Grabung Lackenofen 1984
Situationsfoto der Hütte 2008. Auf der Grabungsfläche wächst wieder Gras. Grabung Lackenofen 1984
Spinnwirtel. Grabung Lackenofen 1984
Randstück eines Keramiktopfes aus dem 14. Jahrhundert. Grabung Lackenofen 1984
Randstücke von Keramiktöpfen. Grabung Lackenofen 1984
Messer und Tülle aus Eisen. Grabung Lackenofen 1984
Besonders überraschend war schließlich die Entdeckung des Fundamentes einer bronzezeitlichen Hütte. Diese Hütte wurde zur Hälfte ausgegraben. Neben zwei Feuergruben wurden Keramik- und Knochenfragmente gefunden. Die Radiokohlenstoffdatierung ergab ein Alter von 1370 Jahren vor Christi Geburt (gemitteltes cal. Alter, VRI-955). Mit diesem Ergebnis konnte erstmals eine mittelbronzezeitliche Almwirtschaft in den österreichischen Alpen nachgewiesen werden. Das Ergebnis wurde aber mehrere Jahre von einigen Archäologen trotz typischer Keramik, Haustierknochenfunden und einer Radiokohlenstoffdatierung nicht anerkannt. Auf eine Anerkennung des Ergebnisses warteten wir mehrere Jahre vergeblich. Lediglich Univ. Prof. Dr. Richard Pittioni vom Institut für Ur- und Frühgeschichte in Wien ermunterte uns weiterzuforschen. In den folgenden Jahren sind durch unermüdliche Feldforschungen weitere 28 solcher Hüttengrundrisse auf dem Dachsteingebirge entdeckt und teils datiert worden. Sie bestätigen die bronzezeitliche Almwirtschaft für Versorgungen des Salzbergbaus in Hallstatt.
Steinstruktur des bronzezeitlichen Hüttenfundamentes. Grabung Lackenofengrube 1984
Rekonstruktionsplan. Grabung Lackenofengrube 1984
Profil von einer der zwei Feuergruben. Grabung Lackenofengrube 1984
Keramikfragmente. Grabung Lackenofengrube 1984
Denudationsdatierung eines Bausteines des bronzezeitlichen Hüttenfundamentes. Das gemessene Alter entspricht der Radiokohlenstoffdatierung. Messung 2014, Grabung Lackenofengrube 1984
Weitere Feldforschungen und Projekte
In den Folgejahren hat die ANISA 10 große Forschungsprojekte und eine Reihe kleinerer Unternehmungen durchführen können. In 21 Druckwerken wurden seit 1990 und nunmehr auch im Internet www.anisa.at unsere Forschungsergebnisse publiziert.
Zukunftsziele für eine experimentelle und innovative interdisziplinäre Archäologie
Da das Ziel der hochalpinen interdisziplinären Almwirtschaftsgeschichtsforschung auch die Rekonstruktion des einstigen Alltagsleben auf dem Berg mit der vielfältigen Beziehung zum Heimhof sein sollte, bedarf es eines innovativen Forschens. Wissenschaftliches Forschen auf universitärer Ebene ist oftmals in Vorgaben und Schablonen gefangen, die innovatives Denken ein- und beschränken. Unsere Mitarbeiter genießen freies Denken und dürfen auch sagen, was Sie für richtig und besser halten. Aus diesem Freiraum ist z. B. das Projekt "Denudationsdatierung" entstanden, das eine einfache und schnelle Vordatierung von anthropogenen Steinstrukturen erlaubt. Dass der historische "Almwirtschaftsbegriff" einer grundlegenden Überarbeitung bedarf, ist einer der weiteren Schritte, der uns den frühen Alltag der Landwirtschaft besser verstehen lassen wird. Viele weitere Ideen und Forschungsansätze warten auf ihre Ausführung. Für unseren ehrenamtlichen Verein wird es auch das Ziel sein müssen, mit den wenigen materiellen und finanziellen Mitteln bestmögliche Ergebnisse zu erzielen.
Literatur
Dachstein. Die Lackenmoosalm. Ein interdisziplinäres Forschungsprojekt zur hochalpinen Begehungs- und Besiedlungsgeschichte des östlichen Dachsteinplateaus. Hrsg. v. Franz Mandl und Herta Mandl-Neumann. Gröbming 1990. Mitteilung der ANISA 11. Jg. (1990), Heft 1/2 (21./22. Heft)
Mit Beiträgen von:
Franz Mandl, Lackenmoosalm. Eine interdisziplinäre hochalpine Wüstungsforschung zur Begehungs- und Besiedlungsgeschichte des östlichen Dachsteinplateaus.
Brigitte Cech, Die Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen im Bereich Lackenofen und Lackenmoosalm
(östliches Dachsteinplateau).
Herta Mandl-Neumann, Die Lackenmoosalm in historischer Sicht.
Franz Stadler, Die Almsiedlungen am Stein und die Hüttenreste an der Oberfläche der Lackenmoosalm.
Günter Graf, Bemerkungen zur Geomorphologie im Gebiet der Lackenmoosalm
(Dachstein).
Imma Bastl/Josef Poelt, Flora und Vegetation der Lackenmoosalm in ihren Beziehungen zur frühen Almwirtschaft.
Roland Schmidt, Pollenprofil aus der Grabung Lackenmoosalm/Dachstein, 1980 m.
Erika Kanelutti/Gernot Rabeder, Das archäozoologische Fundgut.
Franz Mandl, Eine spätbronzezeitliche temporäre Siedlung auf dem östlichen Dachsteinplateau.
Die Publikation ist leider schon längst vergriffen. Sie liegt jedoch in mehreren Bibliotheken in Österreich auf. Der Nationalbibliothek haben wir 6 Pflichtexemplare übergeben müssen.
Fotonachweis
alle vom Autor dieses Beitrages.
Ergänzungen vorbehalten!
Vorankündigung
2015 feiert die ANISA ihr 35-jähriges bestehen. Wir möchten dazu bereits jetzt unsere Mitglieder zur Jubiläums-Exkursion auf einen unserer Projektorte einladen. Termin: voraussichtlich 15. bis 16. Juli 2015
Meinungen zu diesem Bericht senden Sie bitte an: franz.mandl@anisa.at
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