Buchbesprechungen der ANISA für das Internet
2, 2023 (ANISA B 2, 2023)
Beitrag online ab 17. April 2023

 

 

Buchbesprechung und Buchempfehlung für die Mitglieder der ANISA 2023

  

 

 

 

 

Rainer Hochhold: Geschichte des Pinzgaus. Salzburg: Verlag Anton Pustet 2023

260 Seiten, 17x24 cm, Hardcover, durchgehend farbig bebildert, ISBN 978-3-7025-1077-0. 29 €

 

Der wunderschöne, reichlich und vor allem zum Text passend bebilderte Band lässt sich trotz der bisweilen komplexen Thematik leicht und angenehm lesen.

Der Untertitel eigenständig – eigentümlich – eigenwillig ist zugleich Programm des historischen Überblicks, der sich von der Steinzeit bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts spannt. Wichtige Wendepunkte der Pinzgauer Geschichte werden unter neuen Gesichtspunkten behandelt.

Dementsprechend ist ein Kapitel vorangestellt, das sich kritisch mit den Historiographen des Pinzgaus seit dem Ende des 18. Jahrhunderts befasst. Wie schon Friedericke Zaisberger 1998 macht Hochhold auf den einseitigen Blickwinkel dieser überwiegend geistlichen Geschichtsschreiber aufmerksam. Hochhold meint, dass durch sie die Herrschaft der Salzburger Erzbischöfe, die vor 1200 praktisch keinen Einfluss hatten, überbetont und schöngeredet werde. Er kritisiert, dass „mangelnde Quellenkritik und gebetsmühlenartige Wiederholung ungeprüfter Gemeinplätze“ zu Fehleinschätzungen und Irrtümern geführt hätten und versucht dies in den nächsten Kapiteln anhand des Fallbeispiels der in der Notitia Arnonis (790) erwähnten Cella in Bisontio sowie der Herleitungsversuche des Namens Pinzgau aufzuzeigen.

Danach geht er chronologisch vor. Die 11.500 Jahre alte, von Helmut Adler, einem Mitglied der ANISA der ersten Stunde, entdeckte Jagd- und Raststation in einem Abri auf dem Oberrainkogel nahe Unken gilt als ältester gesicherter Fund. Doch es ist durchaus nachvollziehbar, dass schon im Mesolithikum Menschen die alpinen Regionen zur Jagd und auf der Suche nach Feuer- und Hornsteinen sowie Bergkristall aufgesucht haben. Es ist Hochhold nur zuzustimmen, wenn er meint, dass ein Mangel an Funden eher dem Forschungsstand zuzuschreiben sei.

Doch schon im Neolithikum verdichten sich die Siedlungspuren in den Tallagen und die Nutzung alpiner Übergänge und Almweiden lässt sich nachweisen.

In den Metallzeiten steigen Bewohnerzahl, Siedlungsstätten und Bedeutung des Pinzgaus sprunghaft. Mit dem Einsetzen des Kupferabbaues beginnt eine Jahrtausende lange Bergbaugeschichte. In der Grauwackenzone erstrecken sich die ergiebigsten Erzadern von Bischofshofen über St. Johann und Mühlbach am Hochkönig sowie um Maria Alm, Saalfelden und Viehhofen und im oberen Pinzgau um Uttendorf und Stuhlfelden. Viele Abbauorte befinden sich in Höhenlagen zwischen 1400 bis 1800 Metern. Es scheint nicht übertrieben, hier von einer frühen Globalisierung zu sprechen, da das im Pinzgau abgebaute Kupfer in weite Teile Europas geliefert wurde.

Mit der Eisenzeit wird erstmals eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, nämlich die Kelten und insbesondere der Stamm der Ambisonten, greifbar. Hochhold betont, dass sich ein großer Wandel im Übergang von der Bronzezeit, der ersten Blüteepoche, zur Eisenzeit zeige, jedoch zwischen Hallstatt- und La-Tène-Zeit sowie im Übergang zur Römerzeit sich Kontinuitäten feststellen lassen. Die Funde aus der Römerzeit sind so eindrucksvoll, dass der Autor von einem Hauch von Pompeji spricht.

Die Kapitel über die frühe Geschichte sind besonders für die archäologisch interessierten Leser bedeutsam, da der Autor nicht nur auf Fundorte und Fundgeschichte eingeht, sondern auch auf Museen und Ausstellungsorte hinweist.

Auch der Begriff bajuwarische Landnahme wird hinterfragt und für ein langsames Einsickern bzw. Assimilation plädiert. Die quellenarme Zeit des Frühmittelalters wird vor allem mit Hilfe der Toponymie behandelt. Vorrömische und romanische Namen werden als Indiz für eine Besiedlungskontinuität angesehen, bairische und die spärlichen slawischen als Indizien für die mittelalterliche Besiedlung.

Ein Kernstück des Werkes ist das Kapitel über das Hochmittelalter, das sich ausführlich damit beschäftigt, wie der Pinzgau unter die Herrschaft der Salzburger Erzbischöfe gekommen ist. Auch hier wird mit traditionellen Ansichten aufgeräumt und die Rolle der heute vergessenen, aber einstmals mächtigen Grafen von Lechsgemünd neu beleuchtet.

Das Spätmittelalter wird unter wirtschaftsgeschichtlichen Gesichtspunkten in Hinblick auf Märkte und Saumhandel betrachtet, in deren Gefolge auch die Pest besonders schwer wüten konnte.

Der widerständige Pinzgau steht im Mittelpunkt der Betrachtungen zu den Aufständen der Bauern und Bergleute der frühen Neuzeit, in denen der bei den salzburgtreuen Historiographen  beliebte Stehsatz Unter dem Krummstab ist gut leben als hohle Phrase entlarvt wird.

Aufstieg und Niedergangs des Bergbaus prägen die Neuzeit, wobei Hochhold nicht vergisst auf die damit verbundene Belastung der Umwelt hinzuweisen. Umweltkatastrophen und Klimaverschlechterung werden als ein Grund für die Hexer- und Hexenverfolgung angesehen. Wogegen die blutige Verfolgung von Zauberern im 17. Jahrhundert und die grausame Vertreibung der Protestanten im 18. Jahrhundert als Ausfluss einer Politik der Härte und Restriktion gegen Schwache sowie Andersdenkende erachtet und verurteilt wird.

Das Ende der 600-jährigen geistlichen Herrschaft und der Verlust der Eigenstaatlichkeit standen am Beginn des 19. Jahrhunderts. Der damit verbundene wirtschaftliche Niedergang konnte erst durch den Alpentourismus und die damit verbundene Infrastruktur beendet werden. Die Freiheitskämpfe im Rahmen der Koalitionskriege und die Glorifizierung Anton Wallners als Freiheitskämpfer von 1809 werden als Geschichtsklitterung erkannt. Auch hier wird die Geschichte gegen den Strich erzählt. Ebenso positiv zu vermerken ist, dass für das 20. Jahrhundert von der traditionellen Geschichtsschreibung gerne vergessene Ereignisse wie Antisemitismus, Begeisterung für und Widerstand gegen den Nationalsozialismus sowie Zwangsarbeit und Unmenschlichkeit im Mittelpunkt stehen. Last but not least wird auch der „starken“ Frauen des Pinzgaus gedacht.

Ein reichhaltiges Literaturverzeichnis, eine alphabetische Liste von Gemeinden mit deren Namensherkunft, erster Erwähnung und Patrozinium sowie eine Zeittafel zur Geschichte des Pinzgaus runden dieses lesenswerte Buch ab. Ein Buch, das auch für Schul- und Familienbibliotheken des Pinzgaus zu empfehlen ist.

 

Prof. Mag. Dr. Herta Mandl-Neumann

 

 

 

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