ANISA, Verein für alpine Forschung (www.anisa.at)

 

Forschungsberichte der ANISA für das Internet. 7, 2014 (ANISA FB I. 7, 2014)

 

Datierungsversuche von Steinstrukturen im Kammergebirge (Kemetgebirge) mit Hilfe der Denudation

Strukturen von römerzeitlichen Hütten; alte Steintauben und Steine weisen auf den Wetterseiten erhöhte Denudationen auf; biogener Einfluss auf Steine unter Bäumen

Dachsteingebirge, Steiermark

 

5. Internetbeitrag zum Thema Denudation und Datierung

Franz Mandl (17.06.2014)

 

Die hier veröffentlichten Internetbeiträge zu den Datierungsversuchen mithilfe der Denudation sollen Feldarbeiten dokumentieren. Dabei sollen auch Regeln für einen verlässlichen Umgang mit dieser Methode erarbeitet werden, wobei verschiedenen Parametern Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Dazu zählen: Analyse des Geländes, Erkennen des Gesteins, Merkmale der Steine, Strukturformen, Messmethoden und vieles mehr. Daraus soll eine Gesamteinschätzung der Umstände gewonnen werden, sodass diese in Hinblick auf das zu erwartende Ergebnis qualifiziert werden können (z.B. sehr gute-, gute-, brauchbare-, mäßige-, unbrauchbare Voraussetzungen). Ebenfalls sollte überlegt werden, ob alle Kanten eines Steines gemessen werden sollten, um daraus einen gemittelten Messwert zu errechnen. Auch eine weitere Dimension sollte berücksichtigt werden, nämlich die Zufälligkeit des Zerfalls von anthropogenen Baulichkeiten. Ungefähr 100 Objekte sind für dieses Mess- und Dokumentationsprojekt geplant, was mehrere Jahre Arbeit in Anspruch nehmen dürfte. Alle diese Messungen werden hier im Internet im Laufe der Zeit vorgestellt. Abschließend soll ein Gesamtergebnis in einer eigenen Publikation veröffentlicht werden. Ortsnamen und Koordinaten werden aus Gründen des Denkmalschutzes nicht angegeben.

 

Vorläufige Genauigkeitseinteilung, Abweichung vom ermittelten Denudationsalter in %

sehr genau      bis 10 %

gut:                  bis 30 %

brauchbar:       bis 60 %

mäßig:             bis 100 %

unbrauchbar:  mehr als 100 %

 

Baustein einer römerzeitlichen Hütte. Stall (RB), Kammergebirge Objekt 8

Typisch für diese Anlage einer römerzeitlichen Alm sind das Vorhandensein einer Weide, Wasserlacken und günstige Plätze für den Hüttenbau. Die Bausteine weisen erhebliche Kantenrundungen auf. Auffällig ist bei diesen Steinen, dass es eine Wetterseite gibt. Die Messvoraussetzung ist als brauchbar einzustufen. Eine Datierung ist möglich.

 

Objekt 8: Baustein mit einer ausgeprägten Wetterseite

Baumbestand: natürliches Weideland in der Grube (Kleinklima) und im höheren Randbereich Rodungsareal

Erhaltung (ungestört, gestört): ungestört

Lage (Grube, Rücken, Kuppe, Ebene, Höhe): Grube mit ebenen Flächen, 1660 m

Biogene Situation: Grasboden

Struktur, Form, Größe: rechteckige Steinstruktur, 5 x 7 m

Skizze, Fotos: angefertigt

Datierungsmöglichkeiten, vorliegende Datierungsergebnisse: archäologisch ergrabene Hütte in ca. 150 m Entfernung (Beta-85297, intercept Cal. AD 15; Beta-95511, intercept Cal. AD 135 - 425)

Gestein: Dachsteinkalk, Karrenbildungen

Steine, Anzahl: 8

Messtauglichkeit (Berücksichtigungsfaktoren: sehr gut= 1, gut=2, brauchbar=3, mäßig=4, unbrauchbar=5): 3

Bausteine-Dokumentationen (Foto, Skizze, Plan): Foto

Kantenrundungen der Bausteine (Messdaten aus: Lage, Oberflächenstruktur, biogener Einfluss, Höhe des Steines, Winkel der Kante): 1. Stein annähernd auf der Ostseite 15 mm, 2. Stein Südseite 2-10 mm, Westseite 20-40 mm, Ostseite 15 mm, Nordseite 20-25 mm

Messergebnisse-Durchschnittswert: 17 mm

Genauigkeitswert: 1020 Jahre (Abweichung beträgt 60%= max. bis zu 1020 Jahre)

Denudationsalter: ≈AD 314 ±510 ([2014=0]; BP 1190-2210)

Datenablage: Arbeitsbuch 2014, Festplatte

AD: Anno Domini (n.Chr.); BC: vor Christus; BP: vor heute; ≈: ist ungefähr gleich; Ø: Genauigkeit unbrauchbar; sehr genau bis 10 %, gut: bis 30 %, brauchbar: bis 60 %, mäßig: bis 100 %, unbrauchbar: mehr als 100 %

 

Denudationsprojekt der ANISA, Dachsteingebirge 5, 2014

Abb. 1: Hütte (Stall?) neben Wasserlacke, Dachsteingebirge

 

Denudationsprojekt der ANISA, Dachsteingebirge 5, 2014

Abb. 2: Baustein mit Wetterseiten

 

Baustein einer römerzeitlichen Hütte. Kammergebirge, Objekt 9 (SH)

Baustein mit Wetterseiten eines Fundamentes einer bereits  mit der Radiokohlenstoffmethode datierten römerzeitlichen Hütte. Der durchschnittliche Denudationswert beträgt 15 mm. Die Messvoraussetzung ist als brauchbar einzustufen.

Objekt: Hütte

Baumbestand: Rodungsareal, lichter Baumbestand

Erhaltung (ungestört, gestört, starke Verfallsmerkmale ): starke Verfallsmerkmale

Lage (Grube, Rücken, Kuppe, Ebene, Pass, Höhe, ): Pass, Hütte auf ebener Fläche, 1670 m

Biogene Situation: Grasboden, lockerer Baumbestand

Struktur, Form, Größe: vage Struktur, rechteckig, 3,5 x 6 m

Skizze, Plan, Fotos: Skizze (2009) und Fotos

Datierungsmöglichkeiten, vorliegende Datierungsergebnisse: Radiokohlenstoffdatierung (Beta-265088, intercept Cal. AD 90)

Gestein: Dachsteinkalk

Steine, Anzahl: 5

Messtauglichkeit (Berücksichtigungsfaktoren: sehr gut= 1, gut=2, brauchbar=3, mäßig=4, unbrauchbar=5): 3

Bausteine-Dokumentationen (Foto, Skizze, Plan): Foto

Kantenrundungen der Bausteine (Messdaten aus: Lage, Oberflächenstruktur, biogener Einfluss, Wetterseiten, Höhe des Steines, Winkel der Kante): O= bis 15-30 mm, (N= bis 100 mm), S= 20 mm, W= 3-20 mm

Messergebnisse-Durchschnittswert: 16 mm

Genauigkeitswert: 1600 Jahre (Abweichung beträgt 60%= max. bis zu 960 Jahre))

Denudationsalter: ≈AD 414 Jahre ±480 Jahre ([2014=0]; BP 1120-2080)

Datenablage: Arbeitsbuch 2014, Festplatte

AD: Anno Domini (n.Chr.); BC: vor Christus; BP: vor heute; ≈: ist ungefähr gleich; Ø: Genauigkeit unbrauchbar; sehr genau bis 10 %, gut: bis 30 %, brauchbar: bis 60 %, mäßig: bis 100 %, unbrauchbar: mehr als 100 %

 

Denudationsprojekt der ANISA, Dachsteingebirge 5, 2014

Abb. 2: Baustein mit Wetterseiten

 

 

Steintaube mit Wetterseite. Kammergebirge, Objekt 10 (SH)

Wegmarkierung auf einem vor Jahrhunderten aufgegebenen Steig.

Objekt: Steintaube

Baumbestand: lockerer Hochwald

Erhaltung (ungestört, gestört, starke Verfallsmerkmale ): ungestört

Lage (Grube, Rücken, Kuppe, Ebene, Weg, Pass, Höhe, ): Weg, 1600 m

Biogene Situation: Stein auf Stein

Struktur, Form, Größe: Steintaube 20 cm hoch

Skizze, Plan, Fotos: Fotos

Datierungsmöglichkeiten, vorliegende Datierungsergebnisse:

Gestein: Dachsteinkalk

Steine, Anzahl: 2

Messtauglichkeit (Berücksichtigungsfaktoren: sehr gut= 1, gut=2, brauchbar=3, mäßig=4, unbrauchbar=5): 3

Bausteine-Dokumentationen (Foto, Skizze, Plan): Foto

Kantenrundungen der Bausteine (Messdaten aus: Lage, Oberflächenstruktur, biogener Einfluss, Wetterseiten, Höhe des Steines, Winkel der Kante): bis 4 mm

Messergebnisse-Durchschnittswert: 3 mm

Genauigkeitswert: 300 Jahre (Abweichung beträgt 60%= max. bis zu 180 Jahre))

Denudationsalter: ≈AD 1714 ±180 ([2014=0]; BP 120-480)

Datenablage: Arbeitsbuch 2014, Festplatte

AD: Anno Domini (n.Chr.); BC: vor Christus; BP: vor heute; ≈: ist ungefähr gleich; Ø: Genauigkeit unbrauchbar; sehr genau bis 10 %, gut: bis 30 %, brauchbar: bis 60 %, mäßig: bis 100 %, unbrauchbar: mehr als 100 %

 

Denudationsprojekt der ANISA, Dachsteingebirge 5, 2014

Abb. 3: Auf der Oberfläche der Wetterzugewandten Seite der Taube sind bereits gut erkennbare Merkmale der Denudation festzustellen.

 

 

Stein mit Karren und ausgeprägter Wetterseite. Kammergebirge, Objekt 11 (SH)

Objekt: abgelegter Stein des abschmelzenden Gletschers der zu Ende gehenden Eiszeit

Baumbestand: lockerer Hochwald

Erhaltung (ungestört, gestört, starke Verfallsmerkmale ): ungestört

Lage (Grube, Rücken, Kuppe, Ebene, Weg, Pass, Höhe, ): kleine Grube, 1600 m

Biogene Situation: Baumbestand; Baumwuchs auf dem Stein muss berücksichtigt werden

Struktur, Form, Größe: Stein, 182 x 245 cm, Höhe 78 cm

Skizze, Plan, Fotos: Skizze und Fotos

Datierungsmöglichkeiten, vorliegende Datierungsergebnisse: -

Gestein: Dachsteinkalk

Steine, Anzahl: 1

Messtauglichkeit (Berücksichtigungsfaktoren: sehr gut= 1, gut=2, brauchbar=3, mäßig=4, unbrauchbar=5): -

Bausteine-Dokumentationen (Foto, Skizze, Plan): Foto

Kantenrundungen der Bausteine (Messdaten aus: Lage, Oberflächenstruktur, biogener Einfluss, Wetterseiten, Höhe des Steines, Winkel der Kante): dokumentierte Kante bis 25 mm

Messergebnisse-Durchschnittswert: 25 mm

Genauigkeitswert: -

Denudationsalter: Messergebnis wegen geschützter Lage durch den Baumbestand stark beeinflusst

Datenablage: Arbeitsbuch 2014, Festplatte

AD: Anno Domini (n.Chr.); BC: vor Christus; BP: vor heute; ≈: ist ungefähr gleich; Ø: Genauigkeit unbrauchbar; sehr genau bis 10 %, gut: bis 30 %, brauchbar: bis 60 %, mäßig: bis 100 %, unbrauchbar: mehr als 100 %

 

Denudationsprojekt der ANISA, Dachsteingebirge 5, 2014

Abb. 4: Sekundär gelagerter Stein. 5 cm breite Karre. Die geschützte Südkante weist nur eine wenige Millimeter gerundete Kante auf. Dagegen ist die nach Norden gerichtete Seite (Wetterseite) mit annähernd 25 mm erheblich stärker gerundet.

 

Denudationsprojekt der ANISA, Dachsteingebirge 5, 2014

Abb. 5: Detailansicht

 

Biogener Einfluss auf Steine unter Bäumen Kammergebirge, Objekt 12 (SH)

Die hochalpine biogene Auflösung von Gesteinen unter Bäumen ist annähernd gleich groß als auf der Oberfläche einzustufen. Die Humusdecke erreicht im Dachsteinkarst meist nur eine Tiefe von 10 cm. Humussäuren nur in diesem Bereich ihre auflösende Wirkung entfalten. Beispielhaft wird hier ein Foto eines Windwurfs auf einer Höhe von ca. 1600 m Höhe gezeigt.

 

Denudationsprojekt der ANISA, Dachsteingebirge 5, 2014

Abb. 6: Freigelegter Dachsteinkalk durch Windwurf. Die Auflösung der Kanten ist zum Teil als mäßig einzustufen.

 

Zusammenfassung

Die Denudationsdatierungen der römerzeitlichen Hütten decken sich annähernd.

Die Wetterseite der Steine muss unbedingt berücksichtigt werden

 

Alle Fotos von Franz Mandl, ANISA, Verein für alpine Forschung

 

 

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