ANISA, Verein für alpine Forschung (www.anisa.at)
Forschungsberichte der ANISA für das Internet. 10, 2014 (ANISA FB I. 10, 2014)
Datierungsversuche von Steinstrukturen im Dachsteingebirge mit Hilfe der Denudation
Neuzeitliche, mittelalterliche und bronzezeitliche Steinstrukturen
Steiermark
8. Internetbeitrag zum Thema Denudation und Datierung
Franz Mandl (11.07.2014)
Die hier veröffentlichten Internetbeiträge zu den Datierungsversuchen mithilfe der Denudation sollen Feldarbeiten dokumentieren. Dabei sollen auch Regeln für einen verlässlichen Umgang mit dieser Methode erarbeitet werden, wobei verschiedenen Parametern Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Dazu zählen: Analyse des Geländes, Erkennen des Gesteins, Merkmale der Steine, Strukturformen, Messmethoden und vieles mehr. Daraus soll eine Gesamteinschätzung der Umstände gewonnen werden, sodass diese in Hinblick auf das zu erwartende Ergebnis qualifiziert werden können (z.B. sehr gute-, gute-, brauchbare-, mäßige-, unbrauchbare Voraussetzungen). Ebenfalls sollte überlegt werden, ob mehrere Messungen einer Kantenseitenlänge eines Steines gemessen werden sollten, um daraus einen gemittelten Messwert zu errechnen. Auch eine weitere Dimension sollte berücksichtigt werden, nämlich die Zufälligkeit des Zerfalls von anthropogenen Baulichkeiten und die daraus resultierende Lageveränderung der Steine. Ungefähr 200 Objekte sollen für dieses Mess- und Dokumentationsprojekt untersucht werden, was mehrere Jahre Arbeit in Anspruch nehmen dürfte. Dies Messungen werden hier im Internet im Laufe der Zeit vorgestellt. Abschließend soll ein Gesamtergebnis in einer eigenen Publikation veröffentlicht werden. Ortsnamen und Koordinaten werden aus Gründen des Denkmalschutzes nicht angegeben.
Vorläufige Genauigkeitseinteilung, Abweichung vom ermittelten Denudationsalter in %
sehr genau bis 10 %
gut: bis 30 %
brauchbar: bis 60 %
mäßig: bis 100 %
unbrauchbar: mehr als 100 %
Fundamentsteine eines Blockbaues mit einem Viehpferch, Dachsteingebirge, Objekt 1 (KDG)
Die Bausteine weisen Kantenrundungen zwischen ≈30 und ≈38 mm auf. Der Durchschnittswert der zugearbeiteten Steine der Hütte beträgt ≈34 mm. Die Messvoraussetzung ist als brauchbar einzustufen. Eine Datierung ist möglich.
Objekt: Fundament eines Blockbaues
Baumbestand: durch das Kleinklima bedingt waldfreie Grube
Erhaltung (ungestört, gestört, starke Verfallsmerkmale ): ungestört, starke Verfallsmerkmale
Lage (Grube, Rücken, Kuppe, Ebene, Pass, Höhe, ): auf kleiner Erhöhung in Grube auf 1798 m
Funde: Holzkohle
Datierungsmöglichkeiten, vorliegende Datierungsergebnisse: AMS-Datierung 1295 BC (gemitteltes Alter)
Literatur: mehrfach
Biogene Situation: Grasboden
Struktur, Form, Größe: Struktur, rechteckig, 250 x 500 cm
GPS-Messpunkte: ja
Skizze, Plan, Fotos: Skizze und Fotos
Gestein: Dachsteinkalk
Steine, Anzahl: ≈8
Messtauglichkeit (Berücksichtigungsfaktoren: sehr gut= 1, gut= 2, brauchbar= 3, mäßig= 4, unbrauchbar= 5): 3
Bausteine-Dokumentationen (Foto, Skizze, Plan): Fotos
Kantenrundungen der Bausteine (Messdaten aus: Lage, Oberflächenstruktur, biogener Einfluss, Wetterseiten, Höhe des Steines, Winkel der Kante): 30-38 mm
Messergebnisse-Durchschnittswert: 34 mm
Genauigkeitswert: 3400 Jahre (Abweichung beträgt 60%= max. bis zu 840 Jahre)
Denudationsalter: BC 994-1834 [2014=0]
Denudationsalter, gemittelter Wert: ≈3400 Jahre ±420 Jahre
Datenablage: Arbeitsbuch 2014, Festplatte
AD: Anno Domini (n.Chr.); BC: vor Christus; BP: vor heute; ≈: ist ungefähr gleich; Ø: Genauigkeit unbrauchbar; sehr genau bis 10 %, gut: bis 30 %, brauchbar: bis 60 %, mäßig: bis 100 %, unbrauchbar: mehr als 100 %
Abb. 1: Kleine Erhöhung mit Fundamentsteinen eines Blockbaues. Die roten Messscheiben haben einen Durchmesser von 10 cm.
Abb. 2: Messstein im Eingangsbereich eines Murmeltierbaues
Abb. 3: Flacher, nur wenige Zentimeter aus dem Boden ragender Baustein
Abb. 4: Zur Hütte gehörende Steinstruktur eines kleinen Viehpferchs (5x8 m). Die roten Messscheiben haben einen Durchmesser von 10 cm.
Abb. 5: Messstein im Bereich des Viehpfers
Trockenmauer einer neuzeitlichen Almhütte, Dachsteingebirge, Objekt 2 (OWA)
Die Bausteine weisen Kantenrundungen zwischen ≈2 und ≈4 mm auf. Der Durchschnittswert der zugearbeiteten Steine beträgt ≈2 mm. Die Messvoraussetzung ist als brauchbar einzustufen. Eine Datierung ist möglich.
Objekt: Trockenmauer einer Almhütte
Baumbestand: durch das Kleinklima bedingt waldfreie Grube
Erhaltung (ungestört, gestört, starke Verfallsmerkmale ): gestört
Lage (Grube, Rücken, Kuppe, Ebene, Pass, Höhe, ): Grube mit Quelle, 1855 m
Funde: -
Literatur: -
Biogene Situation: verkrauteter Grasboden
Struktur, Form, Größe: Struktur, rechteckig, 500 x 700 cm
GPS-Messpunkte: -
Skizze, Plan, Fotos: Skizze und Fotos
Datierungsmöglichkeiten, vorliegende Datierungsergebnisse: -
Gestein: Dachsteinkalk
Steine, Anzahl: ≈1500
Messtauglichkeit (Berücksichtigungsfaktoren: sehr gut= 1, gut= 2, brauchbar= 3, mäßig= 4, unbrauchbar= 5): 3
Bausteine-Dokumentationen (Foto, Skizze, Plan): Fotos
Kantenrundungen der Bausteine (Messdaten aus: Lage, Oberflächenstruktur, biogener Einfluss, Wetterseiten, Höhe des Steines, Winkel der Kante): 1-3 mm
Messergebnisse-Durchschnittswert: 2 mm
Genauigkeitswert: 200 Jahre (Abweichung beträgt 60%= max. bis zu 120 Jahre)
Denudationsalter: BP 170-230 [2014=0]
Denudationsalter, gemittelter Wert: ≈200 Jahre ±60 Jahre
Datenablage: Arbeitsbuch 2014, Festplatte
AD: Anno Domini (n.Chr.); BC: vor Christus; BP: vor heute; ≈: ist ungefähr gleich; Ø: Genauigkeit unbrauchbar; sehr genau bis 10 %, gut: bis 30 %, brauchbar: bis 60 %, mäßig: bis 100 %, unbrauchbar: mehr als 100 %
Abb. 6: Verfallene Trockenmauer einer Almhütte
Abb. 7: Ecksteine der Trockenmauer. Die Kanten der behauenen Bausteine zeigen geringe Auflösungswerte
Abb. 8: Teil der Trockenmauer. Die Kanten der behauenen Bausteine zeigen geringe Auflösungswerte
Abb. 9: Murmeltierkolonien bevölkern den Almboden und zerstören Kulturschichten in erheblichem Maße
Steinstrukturen mehrerer mittelalterlicher/neuzeitlicher Almhütten und Strukturen aus der Bronzezeit, Dachsteingebirge, Objekt 3 (TKD)
Die Bausteine weisen Kantenrundungen zwischen ≈2 und ≈60 mm auf. Die Messvoraussetzung ist als brauchbar einzustufen. Eine Datierung ist möglich.
Objekt: Steinstrukturen von Almgebäuden
Baumbestand: durch das Kleinklima bedingt waldfreie Grube
Erhaltung (ungestört, gestört, starke Verfallsmerkmale ): gestört
Lage (Grube, Rücken, Kuppe, Ebene, Pass, Höhe, ): Grube mit Lacken, 1835 m
Funde: Keramik, Bronzefragment und AMS-Datierung
Literatur: mehrfach
Biogene Situation: Grasboden, Alpenampferflur
Struktur, Form, Größe: Strukturen rechteckig
GPS-Messpunkte: ja
Skizze, Plan, Fotos: Skizze und Fotos
Datierungsmöglichkeiten, vorliegende Datierungsergebnisse: Keramik aus der Neuzeit und dem Mittelalter sowie Holzkohle aus der Bronzezeit
Gestein: Dachsteinkalk
Steine, Anzahl: ≈
Messtauglichkeit (Berücksichtigungsfaktoren: sehr gut= 1, gut= 2, brauchbar= 3, mäßig= 4, unbrauchbar= 5): 3
Bausteine-Dokumentationen (Foto, Skizze, Plan): Fotos
Neuzeit Mittelalter:
Kantenrundungen der Bausteine (Messdaten aus: Lage, Oberflächenstruktur, biogener Einfluss, Wetterseiten, Höhe des Steines, Winkel der Kante):2-5 mm
Messergebnisse-Durchschnittswert: 3 mm
Genauigkeitswert: 300 Jahre (Abweichung beträgt 60%= max. bis zu 180 Jahre)
Denudationsalter: BP 160-460 [2014=0]
Denudationsalter, gemittelter Wert: ≈300 Jahre ±140 Jahre
Bronzezeit:
Kantenrundungen der Bausteine (Messdaten aus: Lage, Oberflächenstruktur, biogener Einfluss, Wetterseiten, Höhe des Steines, Winkel der Kante):25-38 mm
Messergebnisse-Durchschnittswert: 32 mm
Genauigkeitswert: 3200 Jahre (Abweichung beträgt 60%= max. bis zu 1920 Jahre)
Denudationsalter: 2240-4160 [2014=0]
Denudationsalter, gemittelter Wert: ≈3200 Jahre ±960 Jahre
AMS-Datierung: 1385 BC (gemitteltes Alter)
Datenablage: Arbeitsbuch 2014, Festplatte
AD: Anno Domini (n.Chr.); BC: vor Christus; BP: vor heute; ≈: ist ungefähr gleich; Ø: Genauigkeit unbrauchbar; sehr genau bis 10 %, gut: bis 30 %, brauchbar: bis 60 %, mäßig: bis 100 %, unbrauchbar: mehr als 100 %
Abb. 10: Almboden mit spätmittelalterlichen Hüttenresten. Die Fundamentsteine wurden im 19. Jh. nach Niederbrennen der Hütten in der Nähe deponiert. Murmeltiere haben den weniger gut haltbaren Rasen über der mit Holzkohle vermengten Kulturschichte aufgerissen. Die roten Messscheiben haben einen Durchmesser von 10 cm
Abb. 11: Deponierte Fundamentsteine der Hütte
Abb. 12: Kulturschichte im Hütteninneren. Hier konnten einige Keramikfragmente aus dem 15.-17. Jh. aufgesammelt werden. Die rote Messscheibe hat einen Durchmesser von 10 cm.
Abb. 13: Reste einer Trockenmauer aus der Neuzeit bzw. dem späten Mittelalter. Die südwestliche Begrenzungssteine weisen eine eindeutige Schichtung auf.
Abb. 14: Baustein der bronzezeitlichen Hütte
Fundamentsteine eines Blockbaues und eines kleines Viehpferchs aus der mittleren Bronzezeit, Dachsteingebirge, Objekt 4 (TKG)
Die Bausteine weisen Kantenrundungen zwischen ≈28 und ≈40 mm auf. Der Durchschnittswert der zugearbeiteten Steine beträgt 34 mm. Die Messvoraussetzung ist als brauchbar einzustufen. Eine Datierung ist möglich.
Objekt: Struktur eines Blockbaufundamentes
Baumbestand: durch das Kleinklima bedingt waldfreie Grube
Erhaltung (ungestört, gestört, starke Verfallsmerkmale ): gestört
Lage (Grube, Rücken, Kuppe, Ebene, Pass, Höhe, ): Grube mit Wasserstelle, 1689 m
Funde: Holzkohle
Biogene Situation: verkrauteter Grasboden
Struktur, Form, Größe: Struktur, rechteckig, 450 x 500 cm
GPS-Messpunkte: ja
Skizze, Plan, Fotos: Skizze und Fotos
Datierungsmöglichkeiten, vorliegende Datierungsergebnisse: AMS-Datierung 1630 BC (gemitteltes Alter)
Gestein: Dachsteinkalk
Steine, Anzahl: ≈30
Messtauglichkeit (Berücksichtigungsfaktoren: sehr gut= 1, gut= 2, brauchbar= 3, mäßig= 4, unbrauchbar= 5): 3
Bausteine-Dokumentationen (Foto, Skizze, Plan): Fotos
Kantenrundungen der Bausteine (Messdaten aus: Lage, Oberflächenstruktur, biogener Einfluss, Wetterseiten, Höhe des Steines, Winkel der Kante): 28-40 mm
Messergebnisse-Durchschnittswert: 34 mm
Genauigkeitswert: 3400 Jahre (Abweichung beträgt 60%= max. bis zu 2040 Jahre)
Denudationsalter: 2380-4420 [2014=0]
Denudationsalter, gemittelter Wert: ≈3400 Jahre ±1020 Jahre
Datenablage: Arbeitsbuch 2014, Festplatte
AD: Anno Domini (n.Chr.); BC: vor Christus; BP: vor heute; ≈: ist ungefähr gleich; Ø: Genauigkeit unbrauchbar; sehr genau bis 10 %, gut: bis 30 %, brauchbar: bis 60 %, mäßig: bis 100 %, unbrauchbar: mehr als 100 %
Abb. 15: Die Fundamentsteine eines Blockbaues liegen zerstreut auf einer seichter Erhöhung. Die roten Messscheiben haben einen Durchmesser von 10 cm.
Abb. 16: Messstein
Abb. 17: Bausteine, die nur wenige Zentimeter aus dem Boden ragenden. Die rote Messscheibe hat einen Durchmesser von 10 cm.
Abb. 18: Überblick über den Hüttenboden. Die roten Messscheiben haben einen Durchmesser von 10 cm.
Abb. 19: Alte, überwachsene Steintaube mit starken Korrosionsmerkmaen
Zusammenfassung
Die Bausteine der neuzeitlichen und mittelalterlichen Strukturen bestehen meist aus einer Mischung unbearbeiteter und bearbeiteter Klaubsteinen mit verschieden starken Kantenauflösungen. Kantenrundungen von nur 2 mm weisen zum Beispiel Almhütten, die vor 180 Jahren verlassen wurden, auf (siehe Abb. 7,8,11 u. 13).
Die bronzezeitlichen Bausteine zeigen gut erkennbare Kantenrundungen von 20-40 mm. Die Stärke der Auflösung hängt von der Lage des Steines ab. Auffällig sind flache Bausteine, die bereits zum Teil überwachsen sind. Diese Situation tritt dann ein, wenn flache Auflegesteine durch die Denudation an Höhe verlieren ("versinken durch Auflösung, biogenes Einwachsen und durch mechanisches Eintreten"). Beide hier vorgestellte Fundorte verfügen jeweils über eine nahe Wasserstelle und einen kleinflächigen Pferch mit einer offenen Eingangsseite.
Die Datierungsergebnisse sind grobe Näherungswerte, die sich auch aus dem Erfahrungsschatz des Forschers ableiten. Damit sind sie subjektiv und bedürfen für eine Bestätigung einer archäologischen Grabung oder der Entnahme einer Probe für eine Radiokohlenstoffdatierung. Dennoch überrascht die hohe Übereinstimmung bei bereits datierten Strukturen.
Alle Fotos von Franz Mandl, ANISA, Verein für alpine Forschung
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