ANISA, Verein für alpine Forschung (www.anisa.at)
Forschungsberichte der ANISA für das Internet. 14, 2014 (ANISA FB I. 14, 2014)
Denudationsdatierungen an freiliegenden Bausteinen in den Nördlichen Kalkalpen (Dachstein- und Wettersteinkalk)
Ein erstes Zwischenergebnis
Franz Mandl (09.09.2014)
12. Internetbeitrag zum Thema Denudation und Datierung
Messung eines spätantiken Bausteines auf dem Dachsteinplateau
Fundamente und Trockenmauern von verfallenen
Almwirtschaftsobjekten liegen in den Nördlichen Kalkalpen meist von
November/Dezember bis Mai/Juni unter einer konservierenden Schneedecke. Der
Niederschlag beträgt in den niederschlagsreichen Staulagen jedoch ein Vielfaches
als in trockenen, klimabegünstigten Regionen. Die Stärke der Denudation ist von
der Höhenlage und den damit verbundenem Witterungseinfluss abhängig. Dieser
setzt sich aus der
chemischen
Korrosion (höhenbedingte unterschiedlich
Abschmelzdauer der Schneedecke,
Niederschlagsmenge und Niederschlagsdauer, biogene
Auflösung)
und der
mechanischen Erosion
(Abtrag durch Wind, Wasser, Viehtritt)
zusammen.
Um
diese unterschiedlichsten Einflüsse bei einer Berechnung der Denudation für die
relative
Datierung
nicht zu verkomplizieren, wurde der Denudationswert von Karsttischen
herangezogen. In diesem Wert sind alle Einflüsse seit dem Echern/Daun-Stadium,
das auf ca. 14.000 Jahre (HUSEN van, Dirk: 2012, S, 42-46) zurück datiert wird, gespeichert. Eine Fehlerquelle
kann der Zeitpunkt der Ablage des Steins auf seinem Standort sein. Dieser
beträgt bei unseren Sockelhöhen der Karsttische auf ca. 2100 m etwa 150 mm. Um
die Fehlergröße zu veranschaulichen sei hier rechnerisch angeführt, dass
bei einer Ablage vor 15.000 Jahren eine Denudation von
1,00 mm/100 Jahre
bei einer Ablage vor 14.000 Jahren eine Denudation von
1,07 mm/100 Jahre
bei einer Ablage vor 13.000 Jahren eine Denudation von
1,15 mm/100 Jahre
vorliegt.
Daher würde bei der Datierung eines Bausteins mit einer Kantendenudation von 10
mm die Bandbreite der Datierung zwischen 869 bis 1000 Jahre betragen (=10:1,00=
10,000.100=1000
Jahre; 10:1,07=9,345.100=
934 Jahre;
10:1,15= 8,69.100=869
Jahre). Bei einem Baustein mit einer Denudation von 35 mm ergibt dies eine
Datierung zwischen 3043 und 3500 Jahre (=35:1,00= 35,000.100=3500
Jahre; 35:1,07=32,710.100=
3271 Jahre;
35:1,15= 30,434.100=3043
Jahre).
Dieses Ergebnis zeigt erhebliche Abweichungen. Für eine
erste Befundung ist die „relative Denudations-Datierung“ eines archäologischen
Objektes jedoch durchaus ausreichend. Genauere Ergebnisse können durch eine
Eichung an bereits datierten Objekten errechnet werden. Als eine weitere
Fehlerquelle ist die Messung der Denudation am Baustein selbst zu erwähnen.
Diese Ungenauigkeit wird mit mehreren Messungen an geeigneten Kanten kleiner.
Eine absolut
genaue Messung kann es bei dieser „relativen“ Datierungsmethode nicht geben. Um
Ungenauigkeiten zu reduzieren, sollen möglichst viele Messungen durchführt
werden!
Der Denudationswert für 100 Jahre errechnet sich aus:
Die praxisorientierten Messungen an der Wetterseite (den
West-Nordwest- und Nordkanten) freiliegender Bausteine in ersten Abgleichen mit
radiokohlenstoffdatierten Objekten ergaben vorläufige Denudationswerte. Für die
Berechnungen wurden die primären Ausgangswerte für die Karsttischsockelhöhe von
150 mm und der Zeitraum von 14.000 Jahren verwendet. Dabei ist in größeren Höhen
die größere witterungsbedingte Ausgesetztheit bei der Denudation zu
berücksichtigen. Im Waldbereich und in Karstgruben ist von einer geringeren
Denudation freiliegender Bausteine auszugehen. Zusätzlich ist im Waldbereich mit
zwischenzeitlichen Baumabdeckungen zu rechnen, die zu noch geringeren
Denudationswerten führen kann. Zu weiteren Abweichung können die geografische
Lage der Gebirge und die daraus resultierenden klimatischen Unterschiede führen.
2200 m bis 2000 m → 1,10
mm/100 Jahre
2000 m bis 1700 m → 1,05
mm/100 Jahre
1700 m bis 1500 m → 1,00 mm/100 Jahre
1500 m bis
1100 m → 0,95 mm/100 Jahre
1100 m bis
700 m → 0,90 mm/100 Jahre
700 m bis
400 m → 0,85 mm/100 Jahre
Für die Berechnung des Alters von Bausteinen wird
vorläufig folgende Formel verwendet:
Die Ungenauigkeit wird in +/-
Werten angegeben und folgend berechnet:
Beispiel:
Bausteine auf einer Höhe von 1900 m: Messwerte betragen 8, 9, 10, 9, 7 mm= 43 mm
: 1,05= 40,95 : 5= 8,19. 100= 819 Jahre. Die Ungenauigkeit beträgt: 3 mm . 1,05=
2,86: 2= 1,43 mm . 100= +/-
143 Jahre.
Beispiel:
Baustein auf einer Höhe von 1700 m: Messwerte betragen 8, 9, 10, 9, 7 mm= 43 mm
. 1,0= 43,0 : 5= 8,60. 100= 860 Jahre. Die Ungenauigkeit beträgt: 3 mm . 1,0= 3:
2= 1,5 mm . 100= +/-
150 Jahre.
Das Ergebnis ist bei einer um 3 mm abweichenden Messreihe
noch durchaus für eine relative Datierung brauchbar.
Ungenauigkeit und
ihre Grenzen in der relativen Denudationsdatierung
Die Denudationsdatierung ist eine praxisorientierte
Methode. Ihre Genauigkeit unterliegt der Qualität der Messungen. Nur durch
praktische Erfahrung in der Messmethodik, die durch Einschulung und Übung
erlangt werden kann, ist ein akzeptables Ergebnis zu erwarten. Zusätzlich sind
spezifische Kenntnisse aus Geologie und Geomorphologie notwendig.
Die Genauigkeitsskala wird vorläufig in % angegeben. Sie
ist bei einer
Abweichung von 10
%
→
sehr gut
20 - 30 %
→
gut
30 -
60 %
→
brauchbar →
60 - 80 %
→
genügend
80 – 100 %
→
grober Richtwert
110 % und mehr
→
nicht brauchbar
Der Genauigkeitswert errechnet sich aus der Differenz
zwischen niedrigsten und höchsten Messwert. Siehe dazu die obige Formel und die
beiden Beispielrechnungen. Wird z.B. eine Differenz von mehr als 100 % des
errechneten Alters erreicht, so ist das Ergebnis als unbrauchbar zu werten.
Beispiel mit einem Datierungsergebnis von 1000 Jahren:
10 % Abweichung=
1
mm
100 Jahre= +/- 50
Jahre= sehr gut
20 - 30 % Abweichung=
2-3 mm
200 bis 300 Jahre=
+/-
150 Jahre= gut
30 – 60 % Abweichung=
3-6
mm
600 Jahre= +/- 300
Jahre= brauchbar
60 – 80 % Abweichung=
6-8
mm
800 Jahre= +/- 400
Jahre= genügend
80 – 100 % Abweichung=
8-10 mm
1000 Jahre=
+/- 500
Jahre= grober Richtwert
110 % und mehr=
11
mm
1100 Jahre=
+/- 550
Jahre= nicht brauchbar
Bei einer Ungenauigkeit zwischen den Messergebnissen von
1 mm erhalten wir ein in der Realität kaum erreichbar genaues Ergebnis. Meist
sind bei den bisher durchgeführten Messungen Ungenauigkeiten von 3 bis 5 mm
errechnet worden. Ergebnisse von annähernd 10 mm (100% Abweichung) stellen die
Grenze der relativen Datierung dar. Sie ist als solche auch zu vermerken.
Beispiel mit einem Datierungsergebnis von 4000 Jahren:
10 % Abweichung=
4 mm
400 Jahre=
+/- 200
Jahre= sehr gut
30 – 60 % Abweichung=
12-24 mm
2400 Jahre=
+/- 1200
Jahre= brauchbar
100 % Abweichung=
40 mm
4000 Jahre=
+/- 2000
Jahre= grober Richtwert
z.B. 150 % Abweichung=
60 mm
6000 Jahre=
+/- 3000
Jahre= nicht brauchbar
Die Abweichung bei einer mehrtausendjährigen Datierung
eines Objektes erscheint bei 60 % Ungenauigkeit bereits sehr hoch zu sein. Sie
weist aber bei mehreren sich deckenden Messungen verlässlich in die Urgeschichte
und ist deshalb als brauchbares relatives Ergebnis zu werten. Bei einer 150
%igen Abweichung ist mit dem obigen Beispiel ein nicht mehr akzeptierbarer Wert
erreicht worden.
Zusammenfassung
Für eine Verbesserung der Genauigkeit der
Denudationsdatierung sind die lokale wie auch die regionale klimatische
Beeinflussung, die Eichung des Denudationswertes/100 Jahre an bereits
AMS-datierten Objekten und schließlich die Messmethode selbst zu
berücksichtigen.
Literatur:
Husen, Dirk van (2012): Landschaftsgestaltung durch die Eiszeiten. Die Entwicklung im Spätglazial. In: Erläuterungen zu Blatt 96 Bad Ischl. Hrsg. v. Gerhard W. Mandl, Dirk van Husen & Harald Lobitzer. Geologische Bundesanstalt. Wien 2012. 42-46 u. Tafel 3.
MANDL, Franz (2014): Ein "uraltes" in Stein gemeißeltes Wasserbecken am Fuße des Lackner Miesberges (1930 m) im Dachsteingebirge. In: Da schau her. Die Kulturzeitschrift aus Österreichs Mitte. 1, 2014, 35. Jg. S. 18 - 20.
Anhang
Abkürzungen
D
Denudation
DD
Denudationsdatierung
DE
Denudationsergebnis
DK
Dachsteinkalk
DKSW150
Denudation Karsttischsockelhöhe in mm
D100
Denudationswert für 100 Jahre (z.B. 1,1
mm/2200-1800 m)
DHW
gemessener höchster Denudationswert
DNW
gemessener Niedrigster Denudationswert
DMW
Messwert
Σ
Summe
SMW
Summe
± Jahre
Ungenauigkeit in Jahren
≈
annähernde Größe
→
führt zu diesem Wert, zu dieser Größe
↔
von bis
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