Buchbesprechung:

PICHLER, Werner:  "Zeichen der Vorzeit. Felsbilder der Alpen" erschienen 2001, 240 Seiten. (Eigenverlag)

Wenn Pichler behauptet, das Buch entspreche dem letzten Stand der Felsbildforschung, muss in dieser Disziplin inzwischen ein dramatischer Niedergang erfolgt sein. Pichlers Buch ist auf weiten Strecken für den Laien und Felsbildforscher gleichermaßen eine Zumutung. Der Titel des Buches "Zeichen der Vorzeit. Felsbilder der Alpen" täuscht den Leser, wenn dann seitenfüllend Felsbilder aus der Neuzeit und dem Mittelalter sowie aus der ganzen Welt präsentiert werden. Viele der Bilder sind aus anderen Werken übernommen worden. Unter der sekundären Verwendung leidet die Bildqualität erheblich. Die wichtigste Literatur der letzten Jahre zur Felsbildforschung in Österreich wird nicht zitiert. Wandervorschläge sogar zu unter Denkmalschutz gestellten Felsbildorten werden unüberlegt veröffentlicht, obwohl dies, wie Beispiele zeigen, deren unweigerliche Zerstörung durch die folgenden Besucher bedeutet. Gerade Pichler, der immer auf den Kontext in der Felsbildforschung beharrt, verletzt hier seinen angeblichen Grundsatz durch die Wahl willkürlicher Ausschnitte. Herrn Pichler muss an dieser Stelle auch vorgeworfen werden, dass ihm aus Mangel an aktuellen  Informationen der wissenschaftliche Zugang zur Felsbildforschung fehlt. So fehlen auch  Größenangaben neben den meist dilettantisch gezeichneten Felsbildskizzen, die dem Leser ohne Vergleichsfotos zugemutet werden. Die Liste der Felsbildmuseen und der Internetplattformen ist unvollständig. Zusammenfassend ist das Buch eine Publikation, die Pichler  mit vielen Materialien anderer Forscher ausgestattet hat. Diese Praxis kann der Felsbildforschung nicht dienlich sein. Wenn dann der Ursprung von Bildern, die als Vorlagen Verwendung finden nicht einmal erwähnt werden, ist das überdies von wissenschaftlicher Redlichkeit  weit entfernt!  Dies in Zeiten, wo es in seriösen wissenschaftlichen Publikationen üblich ist, auch verwendete Bildvorlagen zu zitieren. Die fachgerechte Dokumentation von Felsritzbildern ist zeitaufwändig, teuer und zumeist beschwerlich. Es ist daher nur allzu verständlich, dass  Pichler versuchte diese Mühe aus dem Weg zu gehen.  Doch gerade in einem so sensiblen Forschungsbereich ist die eingehende Beschäftigung mit dem Original und dessen fachgerechten Dokumentation besonders wichtig. 

 

PICHLER, Werner: Die Felsbilder des Wolfgangtales. In: Jahrbuch des OÖ. Musealvereines. Gesellschaft für Landeskunde. 141. Band, Linz 1996, S. 7 – 116.[1]

 Am 4. 9. 1990 schrieb uns ein Herr Pichler: Ich habe heuer ein von der O.Ö. Landesregierung gefördertes und vorläufig auf 5 Jahre limitiertes Projekt mit dem Titel ERFORSCHUNG UND DOKUMENTATION DER FELSBILDER DES O.Ö. SALZKAMMERGUTES begonnen. Dabei geht es darum, ein begrenztes Gebiet sehr systematisch und gründlich zu erforschen, exakt zu dokumentieren, das Forschungsmaterial einer abschließenden Analyse und Interpretation zu unterziehen, sowie das Ergebnis in umfassender Form zu publizieren. Inzwischen ist 1994 seine Dokumentation über die Kienbachklamm erschienen, die jedoch gravierende Mängel aufwies, wie bereits in einer Rezension aufgezeigt wurde.[2] Aufrecht bleibt nach wie vor die Tatsache, dass die meisten von Pichler behandelten und zahlreiche von ihm nicht beachtete oder bekannte Felzritzbildstationen in Oberösterreich bereits vom Verein ANISA dokumentiert und Teile davon publiziert worden sind. Pichler bezeichnet gleich in der Einleitung seine nun vorliegende Publikation als zweiten Schritt zu einer konsequenten Dokumentation der Felsbilder des oö. Salzkammergutes (S.7). Dieses Versprechen wird allerdings nicht eingelöst: Denn bereits auf der nächsten Seite meint er zwar: Ideal wäre eine flächendeckende Dokumentation aller Felsbilder durch Fotographie und Zeichnung, schränkt aber sofort ein, dass aus Platz- und Geldmangel nur eine beschränkte Anzahl von Skizzen und Fotos veröffentlicht werden können. Das verwundert denn doch, da er seiner Arbeit voranstellt: Die Publikation ist Ergebnis eines Forschungsprojektes, das vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung finanziert wurde (S. 7) Pichler macht in der Folge genau das, was er an den Studien des Vereins ANISA zu den Felsbildern des Wolfgangtales kritisiert hat: Er wählt exemplarisch wenige Ritzungen aus, hält aber die Forderung aufrecht: Der Schwerpunkt dieser Dokumentation liegt also eindeutig in der möglichst vollständigen und exakten Dokumentation der Felsbilder sowie einer Analyse der Fundumstände.

Doch von der postulierten Exaktheit ist wenig zu verspüren: Die Korrektheit von Skizzen, die ohne Fotos publiziert werden, ist leider nicht nachvollziehbar. Auf vielen der vorgelegten Skizzen wurde vergessen zum Maßstab eine Größenangabe zu schreiben (Abb. 2, 9, 37, 52 – 59, 61 – 66, 75, 77 – 79). Einige der Skizzen vermitteln den Eindruck einer Schatzsucherkarte. Willkürliche Ausschnitte zeigen uns die interessantesten Ritzungen. Die ungeübte Ausführung der Skizzen wertet die Arbeit weiter ab. Natürlich kann man nicht von jedem Felsbildforscher künstlerisches Talent verlangen, aber ein wenig Professionalität sollte vorhanden sein. Gerade bei einem bezahlten Forschungsauftrag sollte es doch möglich sein, Skizzen von einem Fachmann anfertigen zu lassen. Am Ende der Arbeit finden sich einige Skizzen von Vergleichsbeispielen aus Bauernhäusern sowie aus dem Kirchturm zu St. Wolfgang. Dass auch hier Fotos fehlen, ist besonders bedauerlich, da für den Leser diese Ritzungen auf Holz sowie die Rötel- und Kohlezeichnungen völlig identisch mit den Ritzungen auf Fels wirken. 20 zum Teil sogar retuschierte Fotos ohne Größenangabe, Verzeichnis und Beschreibung werden zusammenhanglos an den Schluss der Arbeit gestellt.

Auch die Auswahlkriterien für eine fotografische Darstellung sind nicht einleuchtend. So fehlt zum Beispiel ein Foto von dem wohl bedeutendsten Felsbild am Bärenstein. Für welchen Interessentenkreis wurde diese Arbeit überhaupt geschrieben? Eine Dokumentation, wie sie von Pichler vorgelegt wurde, füllt zwar Seiten, kann aber keine Verwendung in einer seriösen Wissenschaft finden.

Was hätte Pichler ohne die Entdeckungen des Vereines ANISA vorzulegen gehabt? Seine zweifellos ehrgeizigen Versuche über das Niveau der Arbeiten der ANISA zu kommen enden in einem matten Abklatsch. Quellenarbeit wird vernachlässigt. Dies führt dazu, dass Pichler (1994) auf Seite 12 schreibt, dass es erstaunlich ist, dass die Problematik des sauren Regens, in der Felsbildliteratur noch keine Erwähnung gefunden hat. Bereits 1991 wurde dieses Faktum im Ausstellungskatalog der ANISA: Zeichen auf dem Fels. Spuren alpiner Volkskultur auf S. 90 berücksichtigt. Ein Hinweis auf die Dokumentation der Felsritzbildstationen Kollersbach/Hochkogel/Kartergebirge fehlt (ANISA 1996, S. 81ff). Besonders auffällig ist, dass Pichler nicht einmal weiß, dass der vom Verein ANISA für die Forschung entdeckte Bärenstein, die wichtigste Felsritzbildstation des Wolfgangtales, bereits 1993 unter Denkmalschutz gestellt wurde. Die unter Denkmalschutz gestellten Stationen dürfen zwar ohne Genehmigung fotografiert werden, Berührungen mit dem Gestein sind aber zu unterlassen oder bedürfen einer Sondergenehmigung des Bundesdenkmalamtes. Aus Unwissenheit wurde 1995 oder 1996 die Bärenjagdszene mit einem nicht genehmigten und schlecht gemachten Silikonkautschukabzug zerstört. Warum verzichtete W. Pichler auf eine fotographische Abbildung der einzigen Bärenjagdszene in den Nördlichen Kalkalpen? War sie wegen eines unsachgemäßen Silikonkautschukabzuges bereits zerstört? Warum hat Pichler nicht in seinem Text auf diese Zerstörung hingewiesen?  

Wenn man Pichler Interpretationsvorschläge liest, so kann so manche Deutung nicht nachvollzogen werden. Leiter und Rad versucht Pichler mit dem Mithraskult in Verbindung zu bringen (S. 10) und Zirkelkreise aus dem Spätmittelalter oder der frühen Neuzeit mit den Planetenlaufbahnen (S. 29).  

Pichler spekuliert mit Datierungen bis zurück in die Bronzezeit (S. 28ff) und verwendet den Begriff Kontext sehr willkürlich in seinen Interpretationen. Denn er analysiert nicht das Umfeld der Ritzungen, sondern stellt fragwürdige Motivvergleiche mit Felsbildern aus aller Welt an. Er begeht hier – wie auch viele andere sogenannte Felsbildforscher vor ihm – den Fehler eines typologischen Vergleichs von Motiven, die dank ihrer Simplizität ubiquitär sind.  

In der Frage der Interpretation versucht Pichler objektiv zu wirken, indem er verschiedene Deutungen referiert. Aber seine Sympathie für weither geholte esoterische Interpretationen ist unverkennbar. Bednarik, einer der wohl wichtigsten international bekannten Vertreter der Felsbildforschung, meint zur Interpretation: Der Wissenschaftler kann ihre Deutungen nur ignorieren, denn sie sind weder falsifizierbar, noch kann man sie auf andere Art überprüfen.[3]  

Bedenklich stimmt allerdings, dass Pichler, der weder professionell dokumentieren kann noch sorgfältig und vollständig das Material aufarbeitet, nicht nur mit öffentlichen Geldern gefördert wird, sondern auch von der Kulturabteilung der O.Ö. Landesregierung nach eigenen Angaben als Gutachter für Felsbildprojekte herangezogen wird.[4].


[1] In diesem Jahrbuch findet sich eine Buchbesprechung über eine Vereinsmitteilung der ANISA: E. M. Ruprechtsberger: Dachstein. Vier Jahrtausende Almen im Hochgebirge. S. 423ff.

[2] Siehe in den Mitt. d. ANISA, PICHLER, Werner. In: Mitt. d. ANISA 15 (1994) H. ½, S. 206 f.

[3] BEDNARIK, Robert G.: Mehr über die Datierung von Felsbildern. In: Mitt. d. ANISA, 17(1996)H.1, S. 5ff. DERS.: A taphonomy of palaeoart. In: ANTIQUITY 68 (1994) Vol. 68, S. 70 ff. DERS.: Mehr über die Datierung von Felsbildern. In: Mitt. d. ANISA, 17. Jg. (1996), H. 1, S. 5 ff.

[4] Schreiben Pichler vom 30. 11. 1991

PICHLER, Werner: Die Felsritzbilder der Kienbachklamm. (=Studien zur Kul­turgeschichte von Oberösterreich. Folge 2) Hrsg. v. Oberösterreichischen Landesmuseum Linz. Linz 1994. 51 Seiten. ÖS 190.-

Dieses aufwendig gestaltete Heft ist das Ergebnis 15jähriger Forschung und dient auch als Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Oberösterreichischen Landesmuseum. Bedauerlich ist nur, dass sowohl in der Broschüre als auch in der Ausstellung zahlreiche Bilder dilettantisch photographiert und daher sehr unscharf sind. Es ist Herrn Pichler dringend zu raten, für künftige Vorhaben einen professionellen Fotografen heranzuziehen.

Pichler, der ein Forschungsprojekt mit dem Ziel eine(r) vollständige(n) Dokumentation aller bekannten Felsbilder einer Region (OÖ Salzkammergut) im ostalpinen Bereich, einschließlich umfassender Analysen und Interpretationen (S.9), durchführen will, hat sich für seine erste größere Veröffentlichung hohe Ziele gesteckt. Unklar ist, warum er sich hierfür den bereits dokumentierten (E. Burgstaller, Spital/P. 1989; A. Kopf/F.Mandl, Gröbming 1993) und zugleich am meisten zerstörten Felsbildort dieser Region ausgesucht hat.

Denn seine Recherchen und Dokumentationen sind entgegen seinen Ankündi­gungen weder sorgfältig noch lückenlos. Dies beginnt damit, dass vier wichtige Fundstellen der Kienbachklamm nicht erfasst wurden. Da Pichler allerdings von vielen tausend Ritzungen der Kienbachklamm (S. 33) spricht, ist es möglich, dass er der Öffentlichkeit einiges vorenthalten will. Ein vollständiger Übersichtsplan fehlt, und die vier puzzleartigen Pläne (zwei davon sollen Aufrisse sein) sind fehlerhaft. Der von Pichler so dringend geforderte Kontext zwischen den einzel­nen Darstellungen wird auch nicht dadurch erzielt, dass er die Seiten füllt, indem er Übersichtsfotos und -skizzen aneinandergereiht und mit mehr als oberflächlichen und ungenauen Beschreibungen kommentiert. Problematisch ist auch, dass zahlreiche Skizzen ohne die zugrundeliegenden Photographien abgebildet wurden, sodass deren Korrektheit in keiner Weise nachvollziehbar ist.

Die Skizzen der Einzeldarstellungen sind entgegen Pichlers Ankündigung (S. 10) unvollständig, schlampig gezeichnet und überdies noch kleinmaßstäbig und schlecht gedruckt, sodass sie als Vorlagen für Vergleichsstudien ungeeignet sind. Bei manchen Bildwänden und Einzeldarstellungen fehlen bis zu einem Drittel der tatsächlichen Kerben, oder Linien wurden gezeichnet, wo am Original keine vorhanden sind. Einige wenige Beispiele seien angeführt:

Die waagrechte Leiterdarstellung im linken Teil ist unvollständig (S. 26, Skizze 21/1; vgl. Mitt. d. ANISA 14. Jg. (1993), Abb. 62, S. 124).  

In der Skizze 21/2 (S. 27) wurde links neben einer Raute, in deren Mitte ein Näpfchen vergessen wurde, ein Pentagramm überhaupt weggelassen. Die markante Raddarstellung oberhalb davon weist einen zweiten kleineren Kreis auf, der ebenfalls in der Skizze nicht aufscheint. Unter der Raute mit dem vergessenen Näpfchen befindet sich ein gefeldertes Rechteck mit zumindest 21 Kästchen. In Pichlers Skizze (Abb. 21/2) ist diese Darstellung unvollständig wiedergegeben (vgl. dazu die Beschreibung in Mitt. d. ANISA 14. Jg. (1993) Abb. 45, S. 107 und Abb. 112, S. 176).  

Besonders bedauerlich erscheint aber die Umzeichnung der einzigen Mühlespiel-Darstellung des Wolfgangtales zu drei durchkreuzten konzentrischen Recht­ecken in der Skizze 28/2 (S. 29. Vgl. dazu Mitt. d. ANISA. 14. Jg. (1993) S. 106, Abb. 44, Skizze 22).

Pichlers Dokumentationspraxis lässt Darstellungen entstehen, die es nicht gibt. Skizze 25/2 (S. 28) zeigt eine solche erfundene Darstellung eines durchkreuzten Quadrates mit Kreis. Auch auf der dazu gehörigen Abb. 25/2 ist die Darstellung nur schlecht zu erkennen. Am Original gibt es keinen Kreis, sondern Kerben, die nicht eingezeichnet wurden (vgl. dazu die Abb. 42 und Skizze 20 in der Mitt. d. ANISA 14 Jg. (1993) S. 104).

Zur Frage der Datierung und Interpretation referiert Pichler einleitend kursorisch die gängigen Meinungen, ohne Neues zu bieten. Im Anschluss an seinen "Bilderbogen" greift er häufige Symbole wie Rad, Leiter, Kreuz, Raute, Näpfchen, Pentagramm etc. heraus, ohne auch hierbei über bereits Bekanntes hinauszukommen. Einen ungebührlich breiten Raum widmet er allerdings der meiner Meinung nach äußerst gewagten Spekulation, dass das Vorkommen von Rad-Leiter-Kombinationen ein Hinweis auf eine spätantike Mithrasverehrung in der Kienbachklamm darstelle.

Spekulativ ist auch Pichlers Vorgangsweise im Zusammenhang mit der sogenannten Mars-Latobius-Inschrift. Er verwendet hierfür den Text und die Abbildung aus einem Aufsatz von K. M. Mayr (O. Ö. Heimatblätter 20 (1966) H. 3/4, S.65 ff). Nicht ohne Grund gibt er kein genaues Zitat an, denn sonst könnte ein kritischer Leser herausfinden, dass Mayr diese angebliche Inschrift nie im Original gesehen hat, sondern sie - offensichtlich aufgrund einer visionären Begabung - aus den Fotografien E. Burgstallers erfühlt hat. Diese Fotos zeigen nämlich, dass in den 60er Jahren eine Inschrift genauso wenig zu erkennen war wie heute. An diesem Beispiel zeigt sich deutlich, wie wenig wissenschaftlich allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz das Vorgehen Pichlers ist.

 

zurück zur Hauptseite