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Forschungsberichte der ANISA für das Internet. 2, 2016 (ANISA FB 2, 2016)
Ein Novum in den Alpen
Grenzstreit zwischen dem Land Oberösterreich und der Steiermark auf dem Schladminger und Hallstätter Gletscher, Dachsteingebirge
Anlassfall: Schwarzbau "Eispalast" im UNESCO-Welterbe und Natura2000-Schutzgebiet
von Franz Mandl
am 06.10.2016 ins Netz gestellt, Ergänzungen am Nationalfeiertag, 26.10.2016
Glaubt man den Zeitungsberichten, dann rauchen die Köpfe unserer Landeshauptleute Pühringer und Schützenhöfer. Der Grund, Grenzstreitigkeiten wegen des 2006 ohne gültige amtliche Baubewilligung errichteten Eispalastes und von Klettersteigen im Land Oberösterreich (Gemeinde Obertraun), nur wenige Meter von der Landesgrenze der Steiermark (Gemeinde Ramsau am Dachstein) entfernt. Derzeit wird von dem steirischen Betreiber eine neue Lifttrasse auf dem Schladminger Gletscher, der sich zur Gänze im Land Oberösterreich befindet, in Betrieb genommen. Auch dazu gibt es offene Fragen. Zum Beispiel die, dürfen Neubauten im "Natura-2000-Schutzgebiet" errichtet werden?
Der Leser möge sich sein eigenes Bild von den hochalpinen massentouristischen Einrichtungen machen, die im ausgewiesenen Landes-Naturschutz, Natura-2000-Schutzgebiet, UNESCO-Welterbe, Europaschutzgebiet und Höhlenschutzgebiet Dachsteingebirge stehen. Dazu kommt der delikate Grenzstreit zwischen Oberösterreich und der Steiermark. Oder handelt es sich nur um einen propagierten, plakativen Grenzstreit zwischen zwei Ignoranten des Naturschutzes und dessen Rechtslage? Jedenfalls zeigen beide ÖVP-Landeshauptleute beste Zweisamkeit und halten überdimensionierte Schlösser in den Händen. Sind das Symbole der vereinbarten Schweigepflicht? (Medieninformation der Planai-Hochwurzen, 28.07.2014).
Der Grenzverlauf ist genau auf der Wasserscheide zwischen den Ländern Oberösterreich und Steiermark eingetragen. Genauere Daten zur Vermessung der Landesgrenze können gewiss vom Grundbuch und vom Bundesamt für Eich- u. Vermessungswesen besorgt werden. Dazu sind keine aktuellen Vermessungen notwendig.
Ausschnitt aus: Österreichische Karte 1:50 000, Wien 1969. Bundesamt für Eich- u. Vermessungswesen (Landesaufnahme)
Bereits zur Zeit der Eröffnung des Gletscherschigebietes ist gut zu erkennen, dass der Gletscher seine höchste Erhebung entlang der Südwände aufweist
Ansichtskarte, gekauft in der Ramsau am 18. August 1970. P. Ledermann, Wien
Im Oktober 2005 rasten noch Besucher vor dem zukünftigen Eingang des Eispalastes. Auch damals weist der Gletscher seine höchste Erhebung am Ende des Südbereichs auf.
Im September 2006 existiert bereits ein Eingang für den geplanten Eispalast
Im Oktober 2006 steht Wasser im Eisstollen
Die Arbeiten werden im Frühjahr (April) 2007 fortgesetzt
Im Oktober 2007 kann der Eispalast bereits von Touristen besichtigt werden. Auch hier sieht man, dass die Wasserscheide und damit die Landesgrenze am oberen Ende des Schladminger Gletschers und dem anschließenden Felsgrat verläuft.
Situation am Eingangsbereich des Eispalastes 2007
Im September 2008 wurde ein erster großer Ausbau des Eispalastes auf oberösterreichischen Hoheitsgebiet durchgeführt.
2012 erfolgte die erste Baustufe mit Durchstich von Oberösterreich nach Steiermark für den Bau einer Hängebrücke mit Verbindung durch den Eispalast
2013 erfolgte die zweite Baustufe für die Hängebrücke, die im selben Jahr in Betrieb genommen wurde. Nun ist es möglich eine Runde mit Eispalast und Hängebrücke mit höheren Touristenmassen zu absolvieren. Der Eispalast ist mit einer weißen Sonnenschutzplane abgedeckt.
Situation am Eingangsbereich des Eispalastes 2016. Der vor der Wärme geschützte mit weißen Planen abgedeckte und mit Kühlgeräten konservierte Eispalast, liebevoll gebackenes "Ramsauer-Eistörtchen" genannt, steht heute als Monolith in der abschmelzenden Eiswelt des Dachsteingebirges.
Und rundherum eine kleine Müllgeschichte vom Schladminger Gletscher
Die Betreiber des Gletscherbetriebes glauben in einem Niemandsland zu sein, in einem gesetzlosen Raum ihre Natur- und Umweltzerstörungen ausleben zu können. Doch es gibt einen Eigentümer, und zwar ist dies die Österreichische Bundesforste AG. Ein Unternehmen, das Österreichisch gehört. Und somit auch den österreichischen Staatsbürgern.
Der Bau von Neubauten auf neuen Standorten im Natura-2000 Schutzgebiet widersprechen dem Natura-2000 Gesetz.
Wirtschaftsschutz wird vor Naturschutz gestellt!
Die Massenbilanz der Gletscher ist stark abnehmend. Der Müll auf den Gletschern ist stark zunehmend. Die letzten Naturräume stehen im Blickfeld der Wirtschaft. Der auf dem Papier geschriebene Naturschutz ist unglaubwürdig.
UNO schlägt Alarm: Weit entfernt von Klimazielen. Der Weltklimavertrag ist das Papier nicht wert, auf dem er steht. Die Welt steuert bis 2030 auf einen Ausstoß von 56 Milliarden Tonnen Kohlenstoffdioxid zu. Laut Fahrplan sollten es höchstens 42 Milliarden sein. ... (Die Presse, Freitag, 4. November 2016, Weltjournal 9.)
Alpen ächzen unter dem Klimawandel. Vor 25 Jahren wurde die Alpenkonvention ins Leben gerufen. Österreich hat die Präsdentschaft übernommen. Es gibt viel zu tun. (Salzburger Nachrichten, Samstag, 5. November 2016. Österreich 10.)
Alpenfieber und die Fieberkurve
Die Alpenlobbyisten des Massentourismus werfen den Naturschützern "Alpenbashing" vor. (Erlebnisse in Schnee sind einzigartig. Salzburger Nachrichten, Samstag, 5. November 2016. Tourismus 20.) Doch nicht zu Unrecht wird dem maschinellen Massentourismus die Mitverantwortung an der Klimaerwärmung und den Wetterkapriolen vorgeworfen. Denn nicht nur die vor Ort produzierten Umweltprobleme alleine sind es, die in die Waagschalle geworfen werden müssen, sondern auch das viel höhere Anfahrts-CO-2 der Autos und der Flugzeuge aus den Großstädten Europas. Deshalb muss eine Reduzierung der Massentourismusanlagen bis auf eine Höhe von 2000 m und ein kompletter Abbau über 2000 m gefordert werden. Stagnation des Wirtschaftswachstums und Vermögensreduzierung ist angesagt und nicht jährliche Rekordweite der Umsätze, die die Lebensgrundlage zukünftiger Generationen untergraben. Die Alpen leiden an einer erhöhten Temperatur. Dieses "Alpenfieber" muss von den derzeitigen krankmachenden 40°C wieder auf 36°C gesenkt werden, um unserer Jugend lebenswerte Zukunftsperspektiven zu ermöglichen.
Wir Menschen sind Gäste auf unserer Erde. Im Vergleich zur 4,6 Milliarden Jahre alten Erdgeschichte haben wir nur eine drei Millionen Jahre alte Menschheitsgeschichte vorzulegen. Aber erst in den letzten 500 Jahren begann ein nachhaltiger Eingriff auf die Ressourcen unserer Erde. Dieser Eingriff hat sich keine glaubwürdigen Grenzen gesetzt und in den letzten 50 Jahren, mit einem explosionsartigen und zunehmenden Zerstörungspotential, lebenszerstörende Ausmaße erreicht. Begründet wird dieser Opfergang mit der notwendigen Existenzsicherung unserer Wirtschaft und dessen geliehenem Wachstum. Die Klimaerwärmung aus den Kaminen der Wirtschaft ist eines von vielen traurigen Ergebnissen. Versuche diese zu drosseln, scheiterten bislang an der Geldgier einer Minderheit. Diese Minderheit sitzt auf den Rücken der Armen. Einer geschundenen und ausgebeuteten Mehrheit.
Der Wohlstand geht zulasten der Umwelt und ist in der Bevölkerung höchst ungleich verteilt. (Salzburger Nachrichten, Samstag, 8. November 2016. Wirtschaft 11.)
Das immer heißer werdende Wirtschaftsklima korreliert sichtbar mit dem Gletscherschwund. Der neuzeitliche Gletschervorstoß, man spricht auch von der kleinen Eiszeit (1600 bis 1840), fand durch den anthropogenen Temperaturanstieg vor 150 Jahren sein jähes Ende. Dafür verantwortlich war die industrielle Kohle-Revolution. Dieser Temperaturanstieg beschleunigte sich und so sehen wir heute nur noch die Reste der einstigen Alpengletscher. Die Pasterze in der Glocknergruppe kann als sichtbare Zeugin dieses anthropogenen Phänomens vor Ort besichtigt werden (http://www.anisa.at/Grossglockner_Pasterze_2015_ANISA.htm). Als weiteres Zeugnis der Klimaerwärmung in Europa sind die derzeitigen Erdbeben in Italien zu werten. Durch das abschmelzende Wasser des Antarktis-, Arktis- und Grönlandeises, verlagert sich die Gewichtsverteilung auf den Meeresböden, die wiederum die tektonischen Bruchlinien belasten. Aber auch die Versteppung und Verwüstung südspanischer Landschaftsteile ist als ein weiterer Beleg der Klimaerwärmung zu werten. Schuld an dieser menschlichen Tragödie ist eine selbstgefällige und möglicherweise auch unwissende oder falsch informierte Politik. Eine Politik ohne Ethik. Ihr muss die Verantwortung für dieses Desaster übertragen werden. Eigentlich stellt sich nur noch eine einzige Frage: wie viele Jahre wird die tragische Geschichte einer sozial gleichgültigen und auf Materialismus bedachten Menschheit noch geschrieben werden können?
Literatur:
Ist auch der Eispalast illegal? In: Oberösterreichische Nachrichten, 01.07.2016
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http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2009.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2008.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2003.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_1999.htm
Dachstein-Chronologie: http://www.anisa.at/Dachstein%20Chronologie.htm