Beitrag am 13.09.2018 ins Netz gestellt. Letzte Aktualisierung: 24.10.2018
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Forschungsberichte der ANISA für das Internet. 6, 2018 (ANISA FB 6, 2018)
20. Dachstein-Gletscherbericht der ANISA. Aktualisierungen vorbehalten
Die Gletscherberichte, Gletscherzustandsberichte und Gletschermessungen der ANISA versuchen mit vielfältigen Bilddokumentationen den Klimawandel, die Auswirkungen der Gletscherbewirtschaftung mit ausuferndem Massentourismus und Bebauung auf die Umwelt sowie auf das sich dadurch wandelnde Landschaftsbild zu veranschaulichen. Sie wollen die wissenschaftliche Glaziologie, die insbesonders auf den Dachsteingletschern unter mangelnder Kontinuität leidet, bereichern und ergänzen. Die Mitglieder der ANISA liefern im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit, Forschungsansätze, Fotografien, Messmarken und unterstützende Dokumente für die Glaziologie. Interdisziplinarität ist unsere Stärke.
Andrea Fischer gewidmet
Gletscherbericht 2018
Schladminger Gletscher
Hallstätter Gletscher vom Hohen Gjaidstein aus gesehen
Dachsteinwarte
Dachsteingebirge
Oberösterreich und Steiermark
von Franz Mandl
Inhaltsverzeichnis
Gletscherbegehungen und Gletschermessungen 2018
Aktuelle Informationen und Rückblicke
Allgemeine Hintergrundinformationen
Schladminger Gletscher: 04.08.2018, 29.08.2018, 13.09.2018
Gjaidsteinsattel
Eispalast
Schladminger Gletscher Lift
Bergstation Hunerkogel
Hallstätter Gletscher, Dachsteinwarte: 29.08.2018
Die Dirndln am Hallstätter Gletscher 1906 und 2018
Gletscherareal des Schladminger Gletschers 2018 von der 1850er Moräne aus gesehen
Hallstätter Gletscher im Spannungsfeld der Gletscherschmelze zwischen 2003 und 2018
Glaziologie
Klimabericht der Zentralanstalt für Metrologie und Geodynamik. Österreich 2018
Der hochalpine Massentourist auf Schnäppchenjagd auf den Gletscherresten des Dachsteingebirges
Die Denudationsentwicklung des Dachsteinkalks der eisfrei gewordenen Bankungen und Karstgassen am Rande des Schladminger Gletschers
Bildnachweis
Literatur
Das Dachsteingebirge, inmitten von Österreich, ist Teil der Nördlichen Kalkalpen, die sich von Wien bis zum Bodensee erstrecken. Im Norden davon liegt der weltbekannte Ort Hallstatt und im Süden die Ramsau. Das Gestein des Gletscherareals besteht zum überwiegenden Teil aus gebanktem Dachsteinkalk (Geologische Karte der Dachsteinregion, Wien 1998). Die sieben stark abschmelzenden Dachsteingletscher sind die am weitesten östlich gelegenen Gletscher der Alpen. Sie liegen in einer Höhe zwischen 2210 m bis 2910 m. Die kleinen Eisfelder und Eisreste in hoch gelegenen Dolinen und Höhlenruinen sollten nicht unerwähnt bleiben.
Gletscherbegehungen und Gletschermessungen 2018
Schladminger Gletscher
Begehung: 04.08 , 29.08 und 13.09. 2018. Bericht 14.09.2018.
Der Längenrückzug von 2017 auf 2018 beträgt an einer Bankung 0,40 m,
zugleich ging die Eisdicke (Ablation) um 1,28 m + 0,15 m = 1,43 m zurück. (Dies ergibt sich aus 1,28 m Abnahme der Eisdicke zwischen den Messmarken von 2017 und 2018 plus der mitzuberechnenden Ablation der ~12° steilen Hangneigung zwischen der derzeitigen Messlinie= ~0,15 m). Das Gefälle der Dachsteinkalkbankungen gegen Süden setzt sich weiter fort. (vgl. http://www.anisa.at/Schladminger_Gletscher_1850_2014_Klima_ANISA.htm)
Begehung 21.09. 2018: 8 Tage nach der Messmarkenmarkierung (13.09.2018) erfolgte eine neuerliche Besichtig. In dieser kurzen Zeitspanne schmolz der Gletscher an dieser Stelle um weitere 35 cm vertikal ab. Hand-GPS-Einmessung am 13.09.2018: 2536 m, 0397081-5258485 (UTM,T33 +/- 4 m)
Gjaidsteinsattel
Messpunkt mit Hand-GPS-Einmessung am 29.08.2018: 2622 m, 0396417-5258474 (UTM,T33 +/- 4 m), am 13.09.2018: 2625 m, 0396414-5258477 (UTM,T33 +/- 3 m)
Gjaidsteingrat, Strommast 2668 m, Wegweiser 2642 m (=Tachymetermessung)
Verwendete Karte:
Österreichkarte 3217, Hallstatt, 1:50 000 (Anmerkung: die Alpenvereinskarte Blatt 14 gibt einige ungenaue Höhen- und Ortsangaben an!)
Blankeissituation am 13.09.2018 auf dem Schladminger Gletscher. Nur noch ein ganz dünner Firnsaum ist an der Nordwand des Koppenkarsteins übriggeblieben.
Aktuelle Informationen und Rückblicke
Die Schneedecke war im Winter 2017/2018 überdurchschnittlich hoch. Der Aufbau einer Schneedecke von mehreren Metern Höhe erfolgt meist erst zwischen Februar und Mai. Am 02.04.2018 betrug die Schneehöhe auf den Gletschern immerhin 6,12 m. Am 12.06.2018 waren es noch 3,15 m. Meldungen einiger GlaziologInnen prognostizierten deshalb eine Gletschererholung für 2018. Doch bereits Ende Juli gab es großflächige Ausaperungen. Am 25.08.2018 schneite es bis auf 1800 m hinab. Die Schneedecke erreichte 30 cm. Der Neuschnee wurde mit Pistenraupen weitflächig zu den kaum noch überdeckten Liftsockeln geschoben. Dabei wurde auch das Gletschereis nicht verschont und durch Abscheren bzw. -gradern planiert. Nach wenigen Tagen war der Neuschnee wieder weggeschmolzen. Die Ablation des Gletschers begann im Juli und endete im September. Am 24.10.2018 erfolgte mit 20 cm Neuschnee erstmals eine komplette Abdeckung der Eisflächen. Somit hat der Winter auf den Dachsteingletschern begonnen.
Der Schladminger Gletscher reichte 1947 bis zu einer Felskuppe, auf der damals damals der Gletscherstand mit Lack markiert wurde. Diese Messmarke von 1947 für die Messlinie zur Koppenkarstein-Nordwand (645 m, 187,5°, Tachymeternessung)wurde von uns mit einem eingebohrten Messnagel fixiert. Wir bezeichnen diese Linie "ANISA-Koppenkarstein-Messlinie". 1947 stieg der Gletscher mit einer Neigung von beinahe 30° zur Nordwand des Koppenkarsteins an. Der Gletscher überragte die 2018er Marke um etwa 39 m. Längenrückgang zwischen der Gletscherstandsmarke aus dem Jahr 1947 und der aktuellen Marke von 2018 beträgt 97 m (1947 bis 2003 = 15,80 m, 2003 bis 2008 = 51,53 m, 2008 bis 2018 = 30,08 m). Von der Eishöhe schmolzen von 1947 bis 2003 etwa 0,5 m pro Jahr ab. Dagegen ergaben die Messungen in den letzten 15 Jahren eine durchschnittliche Absenkung der Eishöhe durch Ablation von etwas mehr als 1,00 m pro Jahr. (Messdaten errechnet auf Basis der Tachymetermessungen von 2014, spätere Ergänzungen mit GPS, Laserentfernungsmessung, Messlatte und DORISinterMAP.)
Wenn man den Gletscherstand der AV-Karte von 1915 und die dort eingezeichnete 2600-m-Höhenschichtlinie über das Orthofoto von DORIS 2015 legt und durch eigene Messungen ergänzt, erhält man an der Messmarke 2018 eine Eisdickenabnahme (Ablation) von etwa 71 m.
Allgemeine Hintergrundinformationen
1850 betrug die Fläche des Schladminger Gletschers mit den Gjaidsteinosthängen (ohne Berücksichtigung der Neigung) 2,598 km², mit dem teils vergletscherten Mittersteinkar sogar bis zu 3,814 km² (laut Aquarell von Friedrich Simony 1842, Modereckalm). Der Umfang betrug 8,370 km. (Als Messpunkte dienten die gut sichtbaren Moränen, Schotterflächen, Erosionsflächen, Bewuchs, Wandbegrenzungen und der Gjaidsteinsattel. Quelle: Orthofoto, DORIS-Intermap des Landes Oberösterreich.)
2015 wies der Schladminger Gletscher nur noch annähernd 0,680 km² auf (ohne Berücksichtigung der Hangneigungen). Das ist ca. ein Viertel der ursprünglichen Fläche ohne Mittersteinkar. Der Umfang beträgt 4,135 km (Orthofoto, DORIS-Intermap des Landes Oberösterreich). Am Nordostrand des Schladminger Gletschers ist in den letzten 10 Jahren ein ca. 200 m langes und ca. 30 m tiefes Tal ausgeapert. Der vom Koppenkarstein herabgestürzte Sprengschotter der Militärstation aus den 1970er-Jahren hat 2014 das Gletscherende erreicht. Zusammenfassend kann im letzten Jahrzehnt eine verstärkte Abnahme der Eismasse festgestellt werden, die mit der derzeitigen wissenschaftlich belegten anthropogen beeinflussten Klimaerwärmung korreliert.
Auf dem etwa 100 m höher gelegenen Gjaidsteinsattel wurden ähnliche Verhältnisse wie bei unseren beiden Messsteinen am Rand des Schladminger Gletschers vorgefunden. 1896 berichtet M. Groller, dass der Gletscher bis zu dem Messpunkt (2668 m) reichte "[...] um an der Schneide der beiden benachbarten Gletscher mit einer sehr zerklüfteten und verwitterten Endkuppe unter dem Firn zu verschwinden." Diese Endkuppe kann nur die Erhebung, auf der heute ein Strommast und etwas darunter eine Bergrettungshütte stehen, sein. Die hier 2014 durchgeführte Tachymetermessung ergab ebenfalls die Höhe von 2668 m! In der Gletscherkarte von A. Hübner 1901 reichte das Eis am Gjaidsteinsattel nur noch bis 2649 m. Von diesem Messpunkt bis zum Messpunkt von 2015 hat sich der Gletscher um 107 m zurückgezogen. Groller misst 1896 eine Höhendifferenz von 39 m und Hübner 1901 von 20 m.
Schladminger Gletscher: 29.08.2018, 13.09.2018
Messmarken 2017 und 2018. Die Abnahme der Eisdicke (Ablation) zwischen den Messmarken 2017 und 2018 beträgt 1,43 m. 13.09. 2018
Zur Veranschaulichung der Messlinie wurden in das Luftbild vom 13.08.2015 drei Messpunkte mit den dazugehörenden Jahreszahlen eingetragen. Diese Marke entspricht weitestgehend auch die von 2018. Zusätzlich werden die Höhenschichtlinien eingeblendet. Die gelbe Linie zeigt den Gletscherstand zur Zeit des Baues des Mittersteinlifts um 1980, dessen Bergstation unmittelbar am Gletscherrand stand. Heute dient die Einmessung des damaligen Gletscherrandes als Katastergrenze. Diese Linie verläuft südlich der Messmarke von 1947.
Die Nordwand des Koppenkarsteins (2865 m) weist im unteren Drittel gut sichtbare Gletscherschliffe auf. Die Entstehung der Färbung des Gesteins ist ebenfalls aussagekräftig. Der obere hellere, etwa 70° geneigte Wandbereich unterliegt einer erheblichen Denudation. Dann folgt ein kurzer senkrechter, dunkler Abschnitt, der weniger den Niederschlägen ausgesetzt ist und bereits einer Oxydation unterliegt. In Bodennähe ist wiederum eine helle Färbung zu beobachten, da hier der Fels in den letzten einhundert Jahren von Eis und Firn freigegeben wurde. 29.08.2018
Die Nordwand des Koppenkarsteins (2865 m) im September 1875. Bildausschnitt wie oben. Foto: Friedrich Simony 1875 (1895 Tafel XCVII). Repro F. Mandl
Eissee (2517 m) am Rande des Schladminger Gletschers. Dieser bildete sich erstmals 2003. Foto: Herta Mandl-Neumann, 04.08.2018
Winterschneedepot. Mit Pistenraupen und Bagger hergestellte Schneerampe zur Bergstation des Mittersteinlifts. Diese muss zum Schutz vor der Sonnenwärme abgedeckt werden. 1980 reichte der Gletscher noch bis zur Bergstation. 29.08.2018
Der Gletscherlift musste 2017 wegen Schnee- und Eismangels bereits zum dritten Mal verlegt werden. Die Bankungen des Dachsteinkalks setzen sich unter dem Schladminger Gletscher fort. 29.08.2018
Gjaidsteinsattel
Gjaidsteinsattel mit dem Hunerkogel (2687 m) und den sichtbaren Spuren der Gletscherbewirtschaftung. GIS Luftbild vom 13.08.2015.
1: 2642 m. Wegweiser. Gletschergrenze beim Bau des Mittersteinliftes um 1980. Tachymetermessung
2: 2622 m. Gletschergrenze, Messmarke 2018. Hand-GPS-Messung
3: 2662 m. Strommasten, Sockel (Tachymetermessung). Gletschergrenze um 1900
Zwischen 1900 und 1980, also in 80 Jahren erfolgte eine Reduktion der Gletscherdicke (Ablation) von 20 m. Zwischen 1980 und 2018, also in nur 38 Jahren, sind aber ebenfalls 20 m Eishöhe abgeschmolzen. Das ist ein nicht mehr zu leugnendes Warnsignal der rasant voranschreitenden Klimaerwärmung.
Der Preis des Wohlstands. Gänsemarsch in die Klimakatastrophe. Touristen auf dem Weg vom Gjaidsteinsattel zu den Gjaidsteingipfeln und zur Dachsteinwarte. 29.08.2018.
Gjaidsteinsattel 2018 (2622 m), Wegweiser (2642 m) und Strommasten (Sockelhöhe 2662 m). 29.08.2018
Blick über die Schladminger Gletscherlifte zum Gjaidsteinsattel mit der Bergrettungshütte und dem Strommasten, zu dem der Gletscher zu Ende des 19. Jahrhunderts noch reichte. 29.08.2018
Eispalast
Der Eispalast wurde wiederum großflächig mit einer weißen Plastiklane vor der sonne geschützt. Da die Oberfläche des künstlichen Höhlengebildes dadurch langsamer abschmilzt und im Inneren zusätzlich gekühlt wird, entsteht ein Schnee- und Eisberg, der sich bereits als eine hohe künstliche Halde vom Gletscher abhebt.
Eispalast am Hunerkogel im Klimafieber. 16.09.2018
Eispalast am Hunerkogel im Klimafieber. 16.09.2018
Eispalast am Hunerkogel im Klimafieber. 13.09.2018
Schladminger Gletscher-Lift
Besonders an den früheren Standorten der Liftmotoren zeigt der Gletscher massive Verschmutzungen. Wassergräben leiten das Schmelzwasser des Wanderweges zur Dachsteinwarte ab. Die Sockeln der Liftstützen des Schladminger Lifts, die 2016 verlegt werden mussten, sind wieder erheblich herausgeschmolzen und werden von Pistenraupen mit Eis und Schnee überdeckt, um das Abschmelzen zu verlangsamen. Fels apert bei den Stützen des Gjaidsteinsattelliftes aus.
Am 13. September 2018 war der Schladminger Gletscher wie noch nie zuvor zu 98 % ausgeapert. Nur noch ein schmaler Firnsaum im Schatten der Koppenkarsteinnordwand trotzte der Wärme.
Liftanlagen auf dem Schladminger Gletscher. Liftstützensicherung mit aufgeschobenem Firn. 13.09.2018
Liftanlagen auf dem Schladminger Gletscher. Künstlich aufgeschüttete Liftrampe aus Schnee. 16.09.2018
Liftanlagen auf dem Schladminger Gletscher. Der neue Gletschersee und seine Zuflüsse. Die Liftstützen wurden mir abgeschabten Gletschereis stabilisiert. 16.09.2018
Bergstation Hunerkogel
Geschäftiges Treiben auf zerstörtem Gletscher. 29.08.2018
Ausgeaperte Gesteinsfläche mit Müll. Auch ein Handy- oder Kamera-Akku wurde hier entsorgt. 29.08.2018
Blick auf Förderband, Gletscherlifte, Eispalast und Gjaidstein. 29.08.2018
Hunerkogel-Bergstation mit Koppenkarstein. 29.08.2018
Abdeckplanen auf dem Schladminger Gletscher. 13.09.2018
Der Leiterweg zum Koppenkarsteintunel "Rosmarie-Stollen" hat inzwischen eine Höhe von annähernd 25 m zu überwinden. 13.09.2018
Jahrringe im Eis. Schladminger Gletscher 16.09.2018
Der neue Gletschersee und seine Zuflüsse. Schmelzwasser staut sich und ändert täglich die Seehöhe. 16.09.2018
Hallstätter Gletscher, Dachsteinwarte: 29.08.2018
Blick auf den Hallstätter Gletscher mit Dirndln und Hohem Dachstein. 13.09.2018
Dachsteinwarte mit alter und neuer, in Bau befindlicher Hütte. Ursprünglich für Bergsteiger gedacht, wird diese Hütte überwiegend von Tagestouristen von der nahen Bergstation Hunerkogel frequentiert. Foto: Herta Mandl-Neumann 29.08.2018
Blick zum Klettersteig über die Schulter auf den Hohen Dachstein (2995 m). Foto: Herta Mandl-Neumann 29.08.2018
Die Dirndln am Hallstätter Gletscher 1906 und 2018
Dachsteingebiet. Die Dirndln. Ansichtskarte von F. E. Brandt in Gmunden. 1906
Ausaperung am Fuße der Dirndln (2818 m). Hallstätter Gletscher. 16.09.2018
Ausaperung am Fuße der Dirndln (2818 m). Hallstätter Gletscher. 13.09.2018
Ausaperung am Fuße der Dirndln (2818 m). Der Gletscherrand erreicht eine Höhe von ~15 m. Hallstätter Gletscher. 13.09.2018
Gletscherareal des Schladminger Gletschers 2018 von der 1850er Moräne aus gesehen
Das untere eisfreie Gletscherareal des Schladminger Gletschers am 04.08.2018. Standort: Moräne von 1840/50, 30 m südlich des Wanderweges. 1850 war dieses Gletscherareal mit einer bis zu 200 m hohen Eismasse bedeckt. Nur noch an der Nordwand des Koppenkarsteins (2863 m), links im Bild, ist die kleine Zunge des zurückweichenden Gletschers zu sehen. Der tiefst gelegene Bereich der Moräne liegt heute auf 2260 m, der des Gletscherareals im Kar auf 2225 m. Unsere Messmarke von 2018 liegt auf einer Höhe von 2526 m.
Schladminger Gletscher. Am Außenbereich der 1850er Moräne wurde gegen Nordost mehrere hundert Meter weit Moränenschotter abgelagert. Diese mächtigen Schotterablagerungen könnten durch kurzzeitige Vorstöße, Eisabbrüche und durch Wassertransport verursacht worden sein. 04.08.2018
Schladminger Gletscher. Ausgetrocknetes Schwemmbecken (Sandersee) auf 2240 m, nordöstlich der 1850er Moräne. 04.08.2018
1885 beschreibt Friedrich Simony den Abfluss des Schladminger Gletschers. Leider fehlt in seinen Ausführungen die genaue Zeitangabe der Beobachtung: Ähnlich wie das Carls-Eisfeld ist auch der Schladminger Gletscher genöthigt, seine Schmelzwässer dem Thale unterirdisch zuzusenden. Derselbe, nur beiläufig ein Drittel der Grösse des Hallstätter Gletschers erreichend, entbehrt einer derart deutlich entwickelten Eiszunge, wie der letztere aufzuweisen hat, auch endet er bereits in einem um fast 300 m höheren Niveau, wie das Carls-Eisfeld. Sein Auslauf befindet sich eine kleine Strecke oberhalb der tiefsten Stelle eines Kares, welches durch einen vom Koppenkarstein in der Richtung gegen den Gjaidstein ziehenden Querriegel abgesperrt ist. Der dem Gletscher entströmende Bach fliesst zunächst mehrere hundert Schritte weit über einen mit Moränenschutt bedeckten, mässig geneigten Boden und stürzt dann über eine beiläufig 25 m hohe Felsstufe herab, hierauf läuft er etwa 100 m weit durch ein schmales Kiesfeld längs dem das Kar abschließenden Felsriegel hin und wendet sich dann wieder der erst erwähnten Felsstufe zu, bis er plötzlich in einem von Moränenschutt umlagerten Loche verschwindet. Dass auch hier der unterirdische Abzugscanal nicht immer ausreicht, alles in warmer Zeit abfliessende Schmelzwasser zu fassen, zeigen die Ablagerungen von Schlamm und Sand, welche den Grund einer kleinen Seitenbucht des Kares nächst dem Abflussloche bis zu einer Höhe von 3-4 m über dem letzteren bedecken.
Hallstätter Gletscher im Spannungsfeld der Gletscherschmelze zwischen 2003 und 2018
Fotodokumentation zur Veranschaulichung der Gletscherschmelze innerhalb von 15 Jahren
Blankeissituation am 16.09.2018 auf dem Hallstätter Gletscher. Nur noch ein schmaler Firnsaum ist an den Wänden von Hohen Dachstein 2995 m, Niederen Dachstein 2934 m und Hohes Kreuz 2834 m übriggeblieben.
Gletscher-Schwärzungen durch Dieselruß von Gletschertaxis und Pistenraupen sind vor allem an den Routen dieser Fahrzeuge besonders stark nachzuweisen.
Dachsteinwarte 2741 m, Hoher Dachstein 2995 m und Eisstein 2654 m am 03.08.2003
Die Ausdünnung des Gletschers ist besonders im Bereich der Dachsteinwarte und des Eissteins gut erkennbar. Dachsteinwarte 2741 m, Hoher Dachstein 2995 m und Eisstein 2654 m am 16.09.2018
Der untere Bereich des Hallstätter Gletschers mit Gletscherzunge am 03.08.2003. Im Hintergrund das Hohe Kreuz 2834 m
Das untere Areal des Hallstätter Gletschers mit Gletscherzunge und Gletschermarken am 16.09.2018. Der Längenverlust zwischen 2003 und 2018 beträgt an die 470 m. Der Eisvolumenverlust ist gewaltig und düfte wohl in der unteren Hälfte des Gletschers nur noch ein Viertel der Masse von 2003 betragen. Gut zu sehen ist das seit 2003 vom Eis frei gewordene, heller gebliebene Kalkgestein. Dann folgt eine dunklere Verfärbung durch den bereits länger anhaltenden Verwitterungsprozess, der eine dünne Verwitterungsrinde zu bilden beginnt. Ein sichtbarer Nachweis der zuvor langsamer voranschreitenden Ablation. Am Wandfuß des Hohen Kreuzes gab es dieses Jahr einen Gesteinsausbruch duch auftauendem Permafrost. Im Hintergrund liegt das Hohe Kreuz 2834 m.
Glaziologie
Gletscherforschung darf sich nicht nur mit der Gletscherschmelze beschäftigen. Lokale Verschmutzung und Ferneintrag bedürfen einer vielfältigen Untersuchung. Am Hallstätter und Schladminger Gletscher könnte man z.B. die historische Rußablagerungen von der Saline Hallstatt, die Auswirkungen der Gletscherbewirtschaftung, die Müllablagerungen und die frei werdenden Sedimente analysieren. Eisdatierungen, Wasserqualität, Ferneintrag und Wirtschaftsethik wären weitere Forschungsfelder. Und noch vieles mehr. Versagt hier die österreichische Glaziologie? Die ANISA initiierte bereits 2008 eine Untersuchung der Schmutzrinden auf Radioaktivität. Nach diesem Ergebnis sollte man auf dem Dachsteingebirge Gletscherbegehungen möglichst vermeiden.
Gletscher-Schwärzungen (Schmutzrinde) durch Dieselruß von Gletschertaxis und Pistenraupen am 16.09.2018. Deren Routen sind mit Werbeprospekten und Ansichtskarten seit 1970 nachvollziehbar. Im Hintergrund die Dirndln 2818 m und der Hohe Dachstein 2995 m.
Fäkalien-Säckchen im Eis des Hallstätter Gletschers. 13.09.2018
Müll im Eis des Hallstätter Gletschers. 13.09.2018
Klimabericht der Zentralanstalt für Metrologie und Geodynamik. Österreich 2018
Sommer 2018: https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/news/fuenftwaermster-august-der-messgeschichte
Fünftwärmster August der 252-jährigen Messgeschichte. 2,6 °C über dem Mittel.
Seit 170 Jahren beschleunigt sich die Massenabnahme der Gletscher durch ein unkontrolliertes Wirtschaftswachstum
Der Temperaturanstieg und der damit verbundene Gletscherrückgang beschleunigten sich durch die anthropogene Beeinflussung seit dem Beginn der Industrialisierung und des damit erhöhten Schadstoffausstoßes. Die Gletscherforschung der letzten 170 Jahre hat die Gletscherstände einiger Gletscher in den Alpen dokumentiert. Mit diesen Daten sind Massenbilanzberechnungen möglich, deren Ergebnisse unumstößlich sind. Heute gibt es in den Alpen einen kläglichen Rest von etwa 20 % der einstigen Gletschermasse des neuzeitlichen Maximalstandes von 1850. Als plakatives Beispiel sei hier die gut erreichbare Pasterze im Glocknergebiet genannt. Eine Gletschermassenabnahme in so kurzer Zeit hat es in früherer Zeit nicht gegeben. Dafür liegen wissenschaftlich belegte Daten von Eiskernbohrungen vor: https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/informationsportal-klimawandel/klimaforschung/klimarekonstruktion/eisbohrkerne; https://de.wikipedia.org/wiki/Eisbohrkern; http://epic.awi.de/25478/1/2011Lu%CC%88neburg.pdf. Viele der kleinen Gletscher sind zwischen 1950 und 2000 bereits verschwunden. Dazu gehören die in den älteren Landkarten noch eingezeichneten Eisfelder an Waldhorn und Elendberg in den Niederen Tauern: http://www.anisa.at/Waldhorngletscher_2018_ANISA.html
Der hochalpine Massentourist auf Schnäppchenjagd auf den Gletscherresten des Dachsteingebirges
Der 181 Seiten umfassende kleinformatige
Sommercard-Katalog 2018 mit seinen vielen kostengünstigen Angeboten in der
Region von Niederen Tauern und Dachstein motiviert
Touristen auf Schnäppchenjagd zu gehen. Dazu gehört an erster Stelle die
ansonsten 38,00 Euro teure Seilbahnfahrt zu den Dachsteingletschern auf 2700 m
Höhe. Kritik ist allerdings an den
Anbietern solcher Angebote zu üben, die damit an schönen Tagen mehreren Tausend
Menschen auf den Gletscher locken.
Der Massenandrang auf die Seilbahn kann nur noch mit
Platzreservierungen gemeistert werden. Drängeleien sind an der
Tagesordnung. Als erholsam kann diese Fahrt nicht bezeichnet werden, jedoch ist
ein Erlebnisfaktor hervorzuheben, der unterschiedlicher nicht beurteilt werden kann.
Das Glücksgefühl oder die große Enttäuschung teilt man mit tausenden Gleichgesinnten in
Gondel, auf den
Gletschern, in den Gaststätten und mittels des allgegenwärtigen Smartphones weit
darüber hinaus.
Der
2734 m hohe
Kleine Gjaidstein ist in den letzten Jahren ein weiteres Opfer des
Massentourismus auf dem Dachsteingebirges geworden. Mit Bagger,
Schrämmbohrer, Meißel und Seilen wurde der Berg für Spaziergänge im hochalpinen
Gelände zurechtgehämmert. Eine Gipfelpyramide mit Erklärungstafeln verweist
unter anderem auf das hier geltende UNESCO-Naturerbe und den Naturschutz. Eine
Widerwärtigkeit der besonderen Art, denn die technisierte Naturzerstörung auf
dem Dachsteingebirge breitet sich stetig weiter
aus. Man sieht, dass in dieser einstmals hochalpinen Naturoase keine
Naturschutzgesetze gelten, sondern einzig die Macht des Geldes regiert. Dass in
den hochalpinen Räumen Naturschutzgesetze nach Bedarf von einer ausufernden
Massentourismuswirtschaft gebeugt werden dürfen, die bleibende Spuren
hinterlassen, ist trotz der bereits spürbaren anthropogenen
Klimaerwärmung mit den daraus resultierenden Umweltkatastrophen auch in
Österreich, einer immer willfähriger werdenden Umweltpolitik
vorzuwerfen.
Die Denudationsentwicklung des Dachsteinkalks an den eisfrei gewordenen Bankungen und Karstgassen am Rande des Schladminger Gletschers
Die Denudation der aus dem Eis geaperten Karstgassen ist auf deren Seitenwänden geringer als auf deren kantengerundeten Graten. Die in diesen Gassen angesammelten Steine liegen auf dem Eis und weisen eine beachtliche Masse auf, die an den Wänden durch das Mitsinken frische Schrämmspuren hinterlassen. Die vom Gletschereis freigewordenen Karstgassen liegen in einem nur leicht geneigtem Gelände, in einer wilden zerklüfteten Karstlandschaft quer zum Gletscherabfluss. Das einstige Eis in den Karstgassen und Dolinen konnte dem Gletscherfluss nicht folgen und war mit beträchtlichen Höhen von bis zu 20 m tief stationär eingeschlossen. Der Denudationsunterschied zu weiter entfernten Klüften und Karstgassen ist hier viel geringer. Zweifellos ist das 2017 frei gewordene Areal viel länger unter einer Eisdecke gelegen als das hinter der Messmarke von 2003. Mit einer Datierung dieses Denudationsspektrums könnten wichtige Daten zu Langzeitständen des Gletschers und zur Klimageschichte der letzten 12 000 Jahre gewonnen werden. Vgl. dazu den Beitrag zur 12.000-jährigen Klimageschichte auf den Seiten der Zentralanstalt für Metrologie und Geodynamik: https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/informationsportal-klimawandel/klimavergangenheit/palaeoklima/12.000-jahre.
Literatur:
Der Dachstein. Werbeprospekt der Planai-Hochwurzenbahnen GmbH. 2018 und ältere Exemplare.
Schlagwörter:
Zerstörung, die Masse zählt, Schwarzba, UNESCO-Welterbe zur Ankurbelung des Massentourismus, Raubbau an der Natur, Mülldeponien, gebeugter Umweltschutz, kostenlose Gondelfahrt für den Massentourismus, Lift Neubau, Steiermark, Oberösterreich, Dachstein, technisierte Touristenunterhaltung, Werbemaschinerie, Gratisbahnfahrten, Parkplatzmangel, Stau, Naturschutz; Kunstwelten, Taxidienste mit Schneemobilen, Schmutzrinde ...
Meinungen zu diesem Bericht senden Sie bitte an: franz.mandl@anisa.at
© Alle Rechte vorbehalten! Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Fotos: Franz Mandl
weiterführende Links:
http://www.anisa.at/Gletscher_Plogging_2018_ANISA.html
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_Dachsteingebirge_Hallstaetter_Gletscher_2018.html
http://www.anisa.at/Waldhorngletscher_2018_ANISA.html
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_ Dachsteingebirge_2017.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_ Dachsteingebirge_2016.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2015.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2014.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2013.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2012.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2011.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2010.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2009.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2008.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2003.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_1999.htm
Zerstörung, die Masse zählt, Schwarzbau, UNESCO-Welterbe zur Ankurbelung des Massentourismus, Raubbau an der Natur, Mülldeponien, gebeugter Umweltschutz, kostenlose Gondelfahrt für den Massentourismus, Lift Neubau, Steiermark, Oberösterreich, Dachstein, technisierte Touristenunterhaltung, Werbemaschinerie, Gratisbahnfahrten, Parkplatzmangel, Stau, Naturschutz; Kunstwelten, Taxidienste mit Schneemobilen, Schmutzrinde ...
Dachstein-Chronologie: http://www.anisa.at/Dachstein%20Chronologie.htm