Beitrag am 10.09.2021 ins Netz gestellt. Letzte Aktualisierung: 19.09.2021
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Forschungsberichte der ANISA für das Internet. 5, 2021 (ANISA FB 5, 2021)
Aktualisierungen vorbehalten!
23 Jahre Gletscherzustandsberichte der ANISA, Verein für alpine Forschung
Die Gletscherberichte, Gletscherzustandsberichte und Gletschermessungen der ANISA versuchen mit vielfältigen Bilddokumentationen den Klimawandel und die Auswirkung der Gletscherbewirtschaftung auf die Umwelt sowie auf das sich dadurch wandelnde Landschaftsbild zu veranschaulichen. Sie wollen die wissenschaftliche Glaziologie, die insbesonders auf den Dachsteingletschern unter mangelnder Kontinuität leidet, bereichern und ergänzen. Die Mitglieder der ANISA liefern im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit Forschungsansätze, Fotografien, Messmarken und unterstützende Dokumente für die Glaziologie. Wir bitten jedoch bei Inanspruchnahme unserer Daten auf die Quelle zu verweisen!
Das eisfrei gewordene Areal des Schladminger Gletschers am 30. Juli 2021. Dieses Panoramabild zeigt das untere 1,2 km² große, nunmehr von Moränenschutt ausgefüllte Gletscherbett. Der tiefste Punkt des Gletschers lag nicht am Moränenende, sondern im Zentrum des riesigen Kars, das durch Jahrtausende lange Erosionen in der letzten Eiszeit und in postglazialer Zeit des Gletschers entstanden ist. Die gewaltigen Schuttmassen geben einen Eindruck von der einstigen Mächtigkeit des Gletschers. Bei seinem Rückgang erreichte der Gletscher hier seine tiefste Stelle. Der verbliebene Gletscher ist nur noch als kleiner Eisfleck ganz oben neben der Kopperkar-Nordwand zu erkennen. Die über viele Jahrtausende wirkende Gletschererosion hat den unteren Bereich des Koppenkarsteins (2863 m) zu senkrechten Wandstufen modelliert. Foto: ANISA/Mandl, 30.07.2021
Spätsommerschnee. Blick auf den oberen Bereich des Schladminger Gletschers mit seinen vom Massentourismus gezeichneten Narben. Foto: ANISA/Mandl, 10.09.2021
Gletscherbericht 2021
Schladminger Gletscher
Dachsteingebirge
Oberösterreich und Steiermark
von Franz Mandl
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Gletscherbegehungen und Gletschermessungen 2021
ANISA-Messlinie zur Nordwand des Koppenkarsteins
Osthang, Gjaidsteinsattel
Gletscherzustandsberichte und Fotodokumentation
Kommentar zur Klimaerwärmung 2021
Glazialerosion
Aktuelle Informationen und Rückblicke
ANISA-Koppenkarstein-Messlinie
Allgemeine Hintergrundinformationen
Die Denudationsentwicklung des Dachsteinkalks an den eisfrei gewordenen Bankungen und Karstgassen am Rande des Schladminger Gletschers
Literatur
weiterführende Links
Einleitung
Das Dachsteingebirge inmitten von Österreich ist Teil der Nördlichen Kalkalpen, die sich von Wien bis zum Bodensee erstrecken. Im Norden davon liegt der weltbekannte Ort Hallstatt und im Süden die steirische Ramsau. Das Gestein des Gletscherareals besteht zum überwiegenden Teil aus gebanktem Dachsteinkalk (Geologische Karte der Dachsteinregion, Wien 1998). Die sieben stark abschmelzenden Dachsteingletscher sind die östlichsten Gletscher der Alpen. Sie liegen in einer Höhe zwischen 2210 m und 2910 m. Die kleinen Eisfelder und Eisreste in hoch gelegenen Dolinen und Höhlenruinen sollten nicht unerwähnt bleiben.
Wetter 2021:
Nach zunächst schneearmen Wintermonaten folgte ein überdurchschnittlich schneereicher Spätwinter bzw. Frühling mit einer bis zu 4 m hohen Schneedecke. Während des überdurchschnittlich heißen Sommers in der hochalpinen Zone des Dachsteingebirges schmolz die Schneedecke rasch ab. Eine Kaltfront in der letzten Augustwoche brachtet Schneefall bis auf 2400 m und führte zu einer Neuschneedecke auf den Gletschern von 20 cm bis 30 cm. Ab dem 2. September gab es eine Schönwetterperiode, die der Neuschneedecke stark zusetzte, sodass diese am 10.09.2021 nur noch 5 bis 10 cm Höhe aufwies.
Gletscherbegehungen und Gletschermessungen 2021
Schladminger Gletscher
Begehung: 12.07., 30.07., 14.08., 10.09., 18.09., 25.09.2021. Der Schladminger Gletscher war am 26.07. zu 60 %, am 30.07. zu 70 % und am 20.08.2021 bereits zu 95 % schneefrei.
Nachtrag: Ein Gewitterregen hat in der Nacht vom 15.09. bis 16.09.2021 die etwa 10 cm hohe Neuschneedecke weggeschmolzen. Eine grauschwarze Eisfläche mit weißen Schneedepots des Snowfarmingbetriebes belegen das unumstößliche Bild des Gletschersterbens.
Im Mai 2021 lag die Messmarke unter einer 3 m hohen Schneedecke. Bereits am 30.07.2021 wurde die Messmarke von 15.09.2020 sichtbar. Foto: ANISA/Mandl, 30.07.2021
Am 07.08.2021 war die Messmarke von 2020 als Ganzes zu sehen. Foto: ANISA/Mandl, 07.08.2021
Am 14.08.2021 war das Eis an der Messmarke vom 15.09.2020 um 30 cm abgeschmolzen. Foto: ANISA/Mandl, 14.08.2021
Am 10.09.2021 war das Eis an der Messmarke vom 15.09.2020 bereits um 80 cm abgeschmolzen. Foto: ANISA/Mandl, 10.09.2021
Die neue Messmarke von 2021 ist 16,70 m von der Messmarke von 2020 entfernt. Foto: ANISA/Mandl, 10.09.2021
Eine Woche später hat sich der Gletscher bereits sichtbar weiter zurückgezogen. Foto: ANISA/Mandl, 18.09.2021
Blick auf den inzwischen 30 m hohen Felssporn mit den Messmarken von 1947 bis 2021. Alle Messmarken wurde heuer nachgestrichen. Hinter dem Felssporn schaut das Dach der Bergstation des Mittersteinliftes hervor, Foto: ANISA/Mandl, 10.09.2021
ANISA-Messlinie zur Nordwand des Koppenkarsteins
Begehung: 10.09.2021
Der Längenrückzug der Periode 2020-2021 beträgt 16,7 m mit einer Eisabsenkung von ca. 0,8 m. An der neuen Messmarke von 2021 ist ein Neuschneesaum von 10 cm vorhanden. Von 2000 bis 2021 hat sich an der ANISA-Messlinie der Gletscher um 102,00 m zurückgezogen. Der Gletscherrückgang wirkt sich jedoch nicht so sehr am unteren Gletscherrand aus wie an der freien Oberfläche des Gletschers, die dem Wind besonders stark ausgesetzt ist. Durch Anwehungen findet man hier eine mächtigere Schneedecke.
Die Massenbilanz ist die
Größe für die Gesamtabnahme der Eismasse. Diese
Massenbilanz kann mit Profilvergleichen berechnet werden.
Hand-GPS-Einmessung am 10.09.2021: 2534 m, 0397066-5258473 (UTM,T33
+/- 3 m)
Die durchschnittliche Ablation (Eisschmelze/Eisdickenabsenkung) seit 1950 beträgt ca. 0,5 m/Jahr (vgl. http://www.anisa.at/Schladminger_Gletscher_1850_2014_Klima_ANISA.htm). Noch vor 50 Jahren existierte hier ein mächtiger steiler Eisrücken, bevor er in das untere Gletscherbett abfloss. Im unteren Bereich des Schladminger Gletschers sind seit 1845 an die 150 bis 200 m Eishöhe abgeschmolzen.
Osthang (tiefste
Stelle des Schladminger Gletschers
Begehung: 15.09.2020
Hand-GPS-Einmessung am
22.09.2019: 2435 m, 0397829-5258276 (UTM,T33
+/- 3 m)
Die Hand-GPS-Höhenmessungen weisen Ungenauigkeiten auf!
Gjaidsteinsattel
Begehung: 10.09.2021
Am Messpunkt beträgt die
Ablation ca.5 m. Der Längenrückzug zum Gjaidsteingrat beträgt 7 m.
Messpunkt mit Hand-GPS-Einmessung am 10.09.2021:
2622 m, 0396407-5258477 (UTM,T33 +/- 3 m)
Der bereits 2018 sichtbar gewordene Fels einer Ost-West-Bankung südlich des Messpunktes ragt nun schon 5 m aus dem Eis hervor und erreicht eine Länge von 45 m.
Hand-GPS-Einmessung am 15.09.2020: Nordseite des Felsriegels 2622 m, 0396397-5258478 (UTM,T33 +/- 3 m).
Der tiefste Punkt des Gjaidsteinsattels ist nun eisfrei geworden, wird jedoch mit Schnee, der von Pistenraupen herangeschoben wird, ausgefüllt.
Gjaidsteingrat, Strommast 2660 m, Wegweiser 2642 m (= Tachymetermessung; die Hand-GPS-Höhenmessungen weisen Ungenauigkeiten auf!)
Rückblick: Gjaidsteinsattel
Gletscherstände 1890, 1970, 2010 und 2019. Zwischen 1890 und 1970 zog sich der Gletscher um 104 m zurück und senkte sich um 18 m ab. Der Gletscherstand von 1890 wurde anhand eines Fotos von Oskar Simony eruiert (In: SIMONY, Friedrich: Das Dachsteingebiet. Ein geographisches Charakterbild aus den Österreichischen Nordalpen. Wien 1895, Tafel LXXXIV).
Gletscherzustandsberichte und Fotodokumentation
Gjaidsteinsattel mit künstlicher Schneebrücke. Hier treffen sich der Schladminger und der Hallstätter Gletscher. In wenigen Jahren werden sich durch den rassanten Gletscherrückgang die die beiden Gletscher trennen. Standplatz für das Foto ist der Wegweiser am Gjaidsteingrad. Foto: ANISA/Mandl, 18.09.2021
Gjaidsteinsattel, 2621 m. In der Hübnerkarte von 1899 liegt der Sattel auf 2649 m. Der Gletscher erreichte um 1880 noch die 2668 m hoch gelegene Kuppe, auf der heute ein Strommast für die Versorgung der Lifte steht. Heute erinnert ein nur noch 4 m breiter Eisrest auf dem Gjaidsteinsattel an die einstige ~50 m hohe Vergletscherung dieses Übergangs, der den Schladminger und Hallstätter Gletscher verbindet. Auch hierhin wird mit den Pistenraupen Schnee verfrachtet. Foto: ANISA/Mandl, 14.08.2021
Der Gletscher reichte auf der Ostseite des Hunerkogels um 1850 noch 60 m höher hinauf, wie dies durch die dunkle, vom Eis abgedeckte Zone der Felswand auf einer Abbildung von 1930 klar hervorgeht. Friedrich Symony schreibt in seinem Dachsteinwerk (1895,139): "Ebenso haben sich die Firnmassen des Gletschers inzwischen merklich erniedrigt, denn der Gipfelrücken des Hunerkogel, welcher in den Sechzigerjahren [Betrachtung des Zeitraumes zwischen 1867 und 1885] auf der Spitze des kleinen Koppenkarstein noch nicht zu sehen war, überhöht daselbst gegenwärtig als schmaler dunkler Saum den obersten Firnrand." Dies entspricht der Höhe der heutigen Terrasse der Bergstation auf 2687 m. Für die Errichtung der Bergstation wurde zu Ende der 1960er Jahre der Gipfel des Hunerkogels weggesprengt. Der Gletscher erreicht heute am Wandfuß des Hunerkogels die Höhe von 2625 m. Das ergibt einen Höhenunterschied von ~60 m. Foto: ANISA/Mandl, 14.08.2021
Blick vom Gjaidsteinsattel zur Bergstation Hunerkogel. Verwundert stehen die Touristen auf den ausgefrästen Gletscherwegen herum. Foto: ANISA/Mandl, 14.08.2021
Im Vordergrund das verschmutzte Eis des Gletschers und im Hintergrund das blendende Weiß der Plastikplanen, mit denen man den Winter- und Frühjahrsschnee vor der Klimaerwärmung zu schützen versucht. "Klimaerwärmungsschutzplanen" oder doch "Gletscherleichentücher". Foto: ANISA/Mandl, 14.08.2021
Die fruchtlosen Bemühungen gegen die Folgen der Klimaerwärmung anzukämpfen, zerstören die sensible Natur und das natürliche Landschaftsbild auf den Gletschern. Foto: ANISA/Mandl, 14.08.2021
Blick über den im Frühjahr mit Schnee zugeschütteten Gletschersee und die mit Plastikplanen abgedeckte Lifttrasse zur Bergstation Hunerkogel. Die Betreiber kämpfen gegen die Klimaerwärmung mit Pistenraupen, die mit Verbrennungsmotoren angetrieben werden. Allen Bemühungen zum Trotz entsteht im Sommer wieder der immer größer werdende Gletschersee. Der von den Pistenraupen nach Schneefällen immer wieder hingeschobene, überfahrene und dadurch gepresste Schnee löst sich nun im Wasser als Schneeschollen, die bis zum völligen Abschmelzen auf der Oberfläche schwimmen. Foto: ANISA/Mandl, 30.07.2021
Gletscherbach und der mit bis zu 100 m Länge angewachsene Schladminger Gletschersee. 2021 rauschte und gurgelte das abschmelzende Wasser wie noch nie in den letzten 25 Jahren über das Eis der Dachsteingletscher. Besonders stark setzte die Erwärmung zwischen den 20. Juli und 15. August den Gletschern zu. Foto: ANISA/Mandl, 14.08.2021
Die temporäre Gletscherlacke am Ende des Schladminger Gletschers wurde inzwischen zum 120 m langen Gletschersee. Koppenkarstein, Hunerrkogel (2687 m) und Kleiner Gjaidstein (2734 m). Foto: ANISA/Mandl, 18.09.2021
An der Nordseite des Gletschersee wurde ein Straßenstück aufgeschottert. Foto: ANISA/Mandl, 18.09.2021
Mit Plastikplanen abgedeckte Lifttrasse, Gletschersee und Betriebsstätte. Foto: ANISA/Mandl, 14.08.2021
Gletscherbewirtschaftung der besonderen Art. Ein Trauerspiel mit vergeudeten Arbeitseinsatz von Maschinen, die hier im hochalpinen Gebirge nicht verwendet werden dürften. Die inzwischen bis zu 4 m aus dem Eis ragende Lifttrasse könnte bei Schneemangel im Winter auch einmal zu hoch werden. Foto: ANISA/Mandl, 14.08.2021
Illusionisten auf großer Bergtour. "Touristen-Gänsemarsch" auf den Gletscherresten und dem Gjaidsteingrat. Foto: ANISA/Mandl, 14.08.2021
Beugehaft der Naturschutzstellungen auf dem Dachsteingebirge. Zum Beispiel mit dem Presslufthammer! Stufen für hochalpine Bergsteiger-Illusionen. Foto: ANISA/Mandl, 25.09.2021
Auch auf dem Klettersteig herrscht reger Betrieb. Foto: ANISA/Mandl,14.08.2021
Vermüllung des Schladminger Gletschers und seinem Vorfeld mit Plastik. Foto: ANISA/Mandl, 14.08.2021
Jedes Jahr das Gleiche. Müll vom Schladminger Gletscher. Foto: ANISA/Mandl, 14.08.2021
Auftauender Permafrost nötigt zu Sicherungsarbeiten an den Aufstiegshilfen zur Bergstation am Hunerkogel. Foto: ANISA/Mandl, 12.07.2021
Pistenraupen und zwei Bagger stabilisieren mit herbeigeschafften Schnee die Liftstützen. Foto: ANISA/Mandl, 30.07.2021
Tachymeter-Vermessung der neuen ANISA-Messlinie zur Nordwand des Koppenkarsteins. Diese wird für die Berechnung der Eishöhe im Vergleich zu 2014 benötigt. Foto: ANISA/Mandl, 10.09.2021
Gletscherrückzug an der Hunerscharte. Das fein gebänderte Gletschereis ist in diesem Bereich ist sehr alt und könnte bereits nach dem Neolithikum entstanden sein. Eine Datierung eines Bohrkernes sollte hier durchgeführt werden. Foto: ANISA/Mandl, 18.09.2021
Extremes Snowfarming am Schladminger Gletscher. Die mit Sonnenreflektionstüchern abgedeckten Lifttrassen wachsen bereits 4 m aus dem umliegenden Gletschereis hervor. Der Winterschnee bildet eine gut sichtbare Linie zum darunter liegenden Gletschereis. Eine weitere Höhenzunahme dieser Trassen wird eine ernste Gefahr für die Benützer des Liftes. Dies wäre nun endlich die Möglichkeit auf den intensiven Einsatz von Maschinen mit Verbrennungsmotoren für das Präparieren der Pisten und Trassen im Naturschutzgebiet Dachstein zu verzichten, die Liftanlagen zu demontieren, ins Tal zu transportieren, wo sie ordnungsgemäß entsorgt werden müssen. Am Bergkamm steht ein Strommasten für die Versorgung des Mittersteinliftes. Zwischen Strommasten und Liftstütze wurde 2008 eine neue Lifttrasse aus dem Fels gemeißelt und eine Stütze betoniert. Wenige Jahre später war diese wegen des abschmelzenden Gletschers unbrauchbar geworden. Foto: ANISA/Mandl, 10.09.2021
Vor 100 Jahren reichte der Gletscher bis zu den Aufstiegshilfen am Hunerkogel. Noch stabilisiert der Permafrost den Hunerkogel. Aber auch hier werden bereits Isoliermatten großflächig zum Schutz vor der Sonneneinstrahlung ausgebreitet. Foto: ANISA/Mandl, 10.09.2021
Maschinen mit Dieselmotoren im Kampf gegen die Klimaerwärmung, die sie zugleich anheizen. Foto: ANISA/Mandl, 10.09.2021
Snowfarming im Kampf gegen die Klimaerwärmung. Foto: ANISA/Mandl, 10.09.2021
Snowfarming im Kampf gegen die Klimaerwärmung. Foto: ANISA/Mandl, 10.09.2021
Spuren der Pistenraupen. Foto: ANISA/Mandl, 10.09.2021
Der Kampf gegen die Klimaerwärmung führt zu extremen, mit großen Energieaufwand betriebenen technischen Schnee- und Eisverlagerungen. Damit wird sicher die Klimaerwärmung nicht gestoppt! Foto: ANISA/Mandl, 18.09.2021
Künstlich geschaffene Schneeinsel im schmutzigen Eis des Schladminger Gletschers für einen fragwürdigen den Langlaufsport der seine ursprünglichen Wurzeln längst verloren hat. Foto: ANISA/Mandl, 18.09.2021
Technische Versiegelung auf dem Dachstein. Foto: ANISA/Mandl, 18.09.2021
Kommentar zur Klimaerwärmung 2021
Die Dachsteingletscher sind ein Wunder der Natur. Dass es überhaupt noch Eis in dieser Höhe gibt, ist den Karsterscheinungen, den schattigen Lagen und den besonderen Wetterbedingungen zu verdanken. Kleinere Eisfelder sind bereits abgeschmolzen. Massentourismus erzeugt Staus auf den Straßen bis hinauf auf die Dachsteingletscher. Ausufernde Bodenversiegelung und Vandalismus geben sich ein Stelldichein. Auf dem Dachsteingebirge begann 1968 mit dem Bau der Dachsteinseilbahn auf den Hunerkogel die Umweltkatastrophe des dortigen hochalpinen Gletscherraumes ihren Lauf zu nehmen. Dort oben wird viel getan, um die Massen an Touristen zu beschäftigen. Eine vermeintlich kostenlose Berg- und Talfahrt mit dem Auto und weiter mit der Seilbahn, ein mit elektrischer Energie gekühlter Eispalast, eine Treppe ins Nichts, einen Tunnel, Klettersteige, eine Piste mit Planenabdeckung, ein "Gletscherjausenweg" zur neu errichteten Alpenvereinshütte, ein Bergpfad mit ausgeschrämmten und ausgemeißelten Stufen, befahrbare Wege, ein Skibetrieb mit drei Liften und mit Pistenraupen gepflegte Pisten, eine planierte Piste im Permafrost, kilometerlange Langlaufloipen auf dem Schladminger und dem Hallstätter Gletscher und Aufstiegshilfen zur Bergstation sollen einen hohen Funfaktor vermitteln. Das dies auf Kosten der Umwelt und der Natur geschieht, wird in den Tourismusprospekten verschwiegen. Kostenwahrheit ist ebenfalls kein Thema. Der Steuerzahler bezahlt die Rechnung ohnedies. Das Delikt der "Naturzerstörung" kostet ebenfalls noch immer nichts. Das Land Steiermark wird die vermeintlichen Kosten ohnedies bereinigen. Wichtig ist es, Touristen mit solchen für die Betreiber günstigen Angeboten heranzulocken, damit die jährlich steigende Anzahl der Gästebetten im Tal gefüllt werden kann. Denn derzeit wird die Spirale der Landschaftsversiegelung durch den ausufernden Bau von Hüttendörfern und Appartementhäusern weiter befeuert. Mehr Touristenbetten benötigen mehr touristische Angebote. Neue Seilbahnen und Sessellifte benötigen mehr Touristen. Dieses Spiel will kein Ende nehmen. Die Klimaerwärmung, vor der bereits vor 50 Jahren gewarnt worden ist, hat heute eine Dimension erreicht, deren Auswirkungen nun auch wir Österreicher zu spüren bekommen. Mit "Betonköpfen" und "Steinzeitdenkern" wie unsere Politiker selbst einander derzeit beschimpfen, ist nicht einmal ein Stagnieren der Klimaerwärmung zu erreichen! Die Menschheit entzieht sich die Grundlage für das Leben auf unseren sehr klein gewordenen Planeten Erde.
Glazialerosion
Die Glazialerosion formte ein postglaziales (nacheiszeitliches), hufeisenförmiges Gletscherbett. So entstand ein Kar mit allen durch die Ablation sichtbar gewordenen Merkmalen eines Gletschers: Stirn- und Seitenmoränen, Schotterablagerungen, erodierten Felsen, einem kleinen Eissee und einem beinahe bewegungslosen, absterbenden Eiskörper. Die Eishöhe dieses Gletscherareals im Jahr 1850 lässt sich an der Nordwand des Koppenkarsteins an dunkel bzw. hell verfärbten Rändern erkennen. Dieser Durchschnittswert wurde nur durch Klimaschwankungen verändert. Die Klimaforschung belegt für die Alpen zwischen 4000 bis 2000 vor Chr. eine Klimaerwärmung um 2° bis 3 °C. In diesem Zeitabschnitt sind unsere Gletscher weitgehend abgeschmolzen (vgl. Das Lexikon zu Glaziologie, Schnee- und Lawinenforschung der Schweiz. Hrsg. v. d. Redaktion Schweizer Lexikon und der Gletscherkommission der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften. Luzern 1993). Die ältesten noch erhaltenen Eisreste in den Karstgassen und Dolinen des Schladminger Gletscherareals können deshalb nicht älter als 4000 Jahre sein. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Zeit des prähistorischen Klimaoptimums mit der Neolithischen Revolution korreliert. Es ist eine Kulturrevolution und Aufbruchszeit des Ackerbaues und der Viehzucht. Dazu kommt später die Metallverarbeitung von Kupfer und Bronze. Für diese Erneuerung wurden von Asien (bereits ab 8000 v. Chr.) bis Europa riesige Brandrodungen durchgeführt, die sogar noch in den südlich gelegenen Alpen nachweisbar sind (vgl. PATZELT, Gernot: Datierung von Feuerstellen in prähistorischen Hirtenhütten im Waldgrenzbereich ostalpiner Gebirgsgruppen. Praearchos 4/2013, 34, 60-63). Zweifellos haben diese Brandrodungen mit ihren gewaltigen Kohlendioxyd-Emissionen erstmals in der Menschheitsgeschichte eine anthropogene Klimaerwärmung verursacht! Dazu benötigte der neolithische Klimawandel mehrere tausend Jahre. Der aktuelle industriell verursachte Klimawandel hat dagegen in nur 200 Jahren eine solche Klimaerwärmung, die zudem noch weiter fortschreitet, zu Stande gebracht.
Aktuelle Informationen und Rückblicke
Die Schneedecke erreichte im Winter 2020/2021 eine Höhe von bis zu 4 m. Der Schnee wurde mit Pistenraupen weiträumig zu den Liftsockeln, der Lifttrasse, der Rampe zur Talstation des Schladminger Gletscherliftes und auf den zugefrorenen kleinen Gletschersee geschoben. Große Schneemengen wurden wieder auf dem mit elektrischer Energie gekühlten "Eispalast" und östlich des Austriascharten-Lifts für eine kleine Langlaufloipe deponiert. Sowohl die Lifttrasse als auch der Eispalast und das Schneedepot wurden bis Anfang September zum Schutz vor einem Abschmelzen mit Thermomatten abgedeckt. Am 12. Juli 2021 begannen die unteren Bereiche des Schladminger Gletschers auszuapern. Am 30. Juli 2021 waren wegen des warmen Wetters bereits zwei Drittel des Schladminger Gletschers schneefrei. Der Eissee taute ebenfalls auf. Auf dem See schwammen orange Schneeschollen.
ANISA-Koppenkarstein-Messlinie
Messmarken-Information
Der Schladminger Gletscher reichte 1947 bis zu einer Felskuppe, auf der damals der Gletscherstand mit Lack markiert wurde. Diese Messmarke von 1947 für die Messlinie zur Koppenkarstein-Nordwand (645 m, 187,5°, Tachymeternessung) wurde von uns mit einem eingebohrten Messnagel fixiert. Wir bezeichnen diese Linie "ANISA-Koppenkarstein-Messlinie". 1947 stieg der Gletscher mit einer Neigung von beinahe 30° zur Nordwand des Koppenkarsteins an. Der Gletscher überragte die 2018er Marke um etwa 39 m. Der Längenrückgang zwischen der Gletscherstandsmarke aus dem Jahr 1947 und der aktuellen Marke von 2020 beträgt 97 m (1947 bis 2003 = 15,80 m, 2003 bis 2008 = 51,53 m, 2008 bis 2020 = 30,08 m). Von der Eishöhe schmolzen von 1947 bis 2003 etwa 0,5 m pro Jahr ab. Dagegen ergaben die Messungen in den letzten 15 Jahren eine durchschnittliche Absenkung der Eishöhe durch Ablation von etwas mehr als 1,00 m pro Jahr. (Messdaten errechnet auf Basis der Tachymetermessungen von 2014, spätere Ergänzungen mit GPS, Laserentfernungsmessung, Messlatte und DORISinterMAP.)
Wenn man den Gletscherstand der AV-Karte von 1915 und die dort eingezeichnete 2600-m-Höhenschichtlinie über das Orthofoto von DORIS 2015 legt und durch eigene Messungen ergänzt, erhält man an der Messmarke von 2018 und 2019 eine Eisdickenabnahme (Ablation) von etwa 71 m.
Allgemeine Hintergrundinformationen
Berücksichtigt man im Luftbild als Messpunkte die sichtbaren Moränen, Schotterflächen, Erosionsflächen, Vegetationsgrenzen und den Gjaidsteinsattel, so betrug die max. Fläche des Schladminger Gletschers mit Einbeziehung der Gjaidsteinosthänge (ohne Berücksichtigung der Horizontalprojektion) 1845/1950 annähernd 3 km². Der Umfang betrug etwa 9 km. (Quelle: Orthofoto, DORIS-Intermap des Landes Oberösterreich.)
Friedrich Simony (1895, 137) gibt für den Schladminger Gletscher für die Zeit um 1880 eine Fläche von 199 ha an. Erik Amberger/Erwin Wilthum errechneten 1951 für den Schladminger Gletscher Flächen von: 1856/225 ha, 1972/199 ha, 1899/180 ha, 1928/125 ha, 1934/97 ha, 1951/81 ha. Das entspricht einen Flächenverlust von 64%.
2021 wies der Schladminger Gletscher eine Fläche von nur noch annähernd 0,560 km²/2D und 578 km²/3D auf. Das entspricht weniger als einem Fünftel der ursprünglichen Fläche. Der Umfang beträgt 3,6 km/2D und 3,8 km /3D (Orthofoto, DORIS-Intermap des Landes Oberösterreich). Der Eismassenverlust ist als fundamentaler Wert zu betrachten. Da nicht nur vier Fünftel an Gletscherfläche verloren gegangen sind und auch vom letzten verbleibenden Fünftel etwa die Hälfte bereits abgeschmolzen ist, kann man lediglich von einem verbleibenden Zehntel der Eismasse von 1850 ausgehen. Wegen der fehlenden Werte der Eishöhen bzw. der dazu notwendigen verlässlichen Profile sind diese Angaben als Überschlagsrechnungen zu werten. Wesentlich für die Abnahme der Gletschermasse auf unseren Karst- und Kargletschern ist die Abnahme der vertikalen Eishöhe und nicht der Längenrückgang eines Gletschers. Aus Beobachtungen der letzten 15 Jahre können einem Meter Längenrückgang etwa ein Meter vertikale Eisabnahme gegenübergestellt werden. Dieser Wert belegt einen zunehmenden Volumenverlust und eine Beschleunigung der Klimaerwärmung. Mit Eishöhenprofilen kann die Massenbilanz genauer berechnet werden. Beim Hallstätter Gletscher kann man als Überschlagsrechnung davon ausgehen, dass von der verbleibenden Fläche von etwa 50 % des maximalen Vorstoßes um 1850 (die große eisfrei gewordene Insel rund um den Eisstein wurde berücksichtigt) auch diese nur noch eine Massenbilanz von einem Viertel aufweisen wird. Trotz der abnehmenden Massenbilanz der Gletscher darf festgestellt werden, dass sich durch den Rückzug auf größere Höhen und der dort herrschenden tieferen Temperaturen, der Längenrückzug und der Eismassenverlust verlangsamen werden. So kann hier als Beispiel angeführt werden, dass der Schladminger Gletscher von 1856 bis 1951, also in 95 Jahren 144 ha an Fläche verloren hat (Erik Amberger/Erwin Wilthum, 1951, 206), aber von 1991 bis 2021, also in 70 Jahren lediglich 25 ha. eingebüßt hat. Bei Radartiefenmessungen auf dem Schladminger Gletscher von 2007, die der Bewirtschafter der Gletscher in Auftrag gegeben hat, wurden immerhin Tiefen von 130 m erreicht. Falls diese stimmen (man sollte diesen Messungen Ungenauigkeiten zugestehen, da am unteren Gletscherrand angegebene Tiefen von bis zu 50 m inzwischen eisfrei oder beinahe eisfrei geworden sind!), wird der Schladminger Gletscher möglicherweise noch in 100 Jahren als kleiner warnender toter Eiskörper an einen Gletscher erinnern.
Am Nordostrand des Schladminger Gletschers ist in den letzten 10 Jahren ein ca. 200 m langes und ca. 30 m tiefes Tal ausgeapert. Der vom Koppenkarstein herabgestürzte Sprengschotter vom Bau der Militärstation Anfang der 1970er-Jahre hat 2014 das Gletscherende erreicht. Zwischen Felswand und Schotterkegel endstand in den vergangenen 51 Jahren ein Abstand von 240 m. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass sich der Schuttkegel erst an flacherer Stelle auf dem Gletscher bildete und nicht gleich an der sehr steilen Wandzone. Zusammenfassend kann im letzten Jahrzehnt eine verstärkte Abnahme der Eismasse festgestellt werden, die mit der derzeitigen wissenschaftlich belegten anthropogen beeinflussten Klimaerwärmung korreliert.
Auf dem etwa 100 m höher gelegenen Gjaidsteinsattel wurden ähnliche Verhältnisse wie bei unseren beiden Messsteinen am Rand des Schladminger Gletschers vorgefunden. 1896 berichtet M. Groller, dass der Grat "an der Schneide der beiden benachbarten Gletscher mit einer sehr zerklüfteten und verwitterten Endkuppe (2668 m) unter dem Firn" verschwinde. Diese "Endkuppe" kann nur die Erhebung, auf der heute ein Strommast steht, sein. Die hier 2014 durchgeführte Tachymetermessung ergab ebenfalls die Höhe von 2668 m! In der Gletscherkarte von A. Hübner 1901 reichte das Eis am Gjaidsteinsattel nur noch bis 2649 m. Von diesem Messpunkt bis zum Messpunkt von 2015 hat sich der Gletscher um 107 m zurückgezogen (Maßband und Lasermessung).
Die Denudationsentwicklung des Dachsteinkalks an den eisfrei gewordenen Bankungen und Karstgassen am Rande des Schladminger Gletschers
Die Denudation der aus dem Eis geaperten Karstgassen ist auf deren Seitenwänden geringer als auf deren kantengerundeten Graten. Die in diesen Gassen angesammelten Steine liegen auf dem Eis und weisen eine beachtliche Masse auf, die an den Wänden durch das Mitsinken frische Runsen und Kratzer hinterlassen. Die vom Gletschereis freigewordenen Karstgassen liegen in einem nur leicht geneigtem Gelände in einer wilden zerklüfteten Karstlandschaft quer zum Gletscherabfluss. Das einstige in den Karstgassen und Dolinen gestaute Eis konnte dem oberen Gletscherabfluss nicht folgen. Diese Eislager erreichten Höhen bis zu 30 m. Der Denudationsunterschied zu weiter entfernten Klüften und Karstgassen ist hier viel geringer. Zweifellos ist das 2017 frei gewordene Areal viel länger unter einer Eisdecke gelegen als das hinter der Messmarke von 2003. Mit einer Datierung dieses Denudationsspektrums könnten wichtige Daten zu Langzeitständen des Gletschers und zur Klimageschichte der letzten 12 000 Jahre gewonnen werden. Vgl. dazu den Beitrag zur 12.000-jährigen Klimageschichte auf den Seiten der Zentralanstalt für Metrologie und Geodynamik: https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/informationsportal-klimawandel/klimavergangenheit/palaeoklima/12.000-jahre.
Literatur:
ARNBERGER, Erik/WILTHUM, Erwin: Die Gletscher des Dachsteinstockes in Vergangenheit und Gegenwart. In: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines. 97. Band, Linz 1952, 181-214.
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