Beitrag wurde am 01.10.2023 ins Netz gestellt. Letzte Aktualisierung: 15.10.2023
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Forschungsberichte der ANISA für das Internet. 5, 2023 (ANISA FB 5, 2023)
Aktualisierungen vorbehalten!
Die Gletscherberichte, Gletscherzustandsberichte und Gletschermessungen der ANISA versuchen mit vielfältigen Bilddokumentationen den Klimawandel und die Auswirkung der Gletscherbewirtschaftung auf die Umwelt sowie auf das sich dadurch wandelnde Landschaftsbild zu veranschaulichen. Sie wollen die Glaziologie, die insbesonders auf den Dachsteingletschern unter mangelnder Kontinuität leidet, bereichern und ergänzen. Die Mitglieder der ANISA liefern im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit Forschungsansätze, Fotografien, Messmarken und unterstützende Dokumente für die Glaziologie und für interessierte Wanderer und Bergsteiger.
Gletscherbericht 2023
Schladminger und Hallstätter Gletscher
Dachsteingebirge
Oberösterreich und Steiermark
von Franz Mandl
25 Jahre Schladminger Gletscherdokumentationen der ANISA, Verein für alpine Forschung
1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004, 2005, 2006, 2007, 2008, 2009, 2010, 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020, 2021, 2022, 2023 sind 25 Jahre Gletscherdokumentationen
Die Arbeiten und Ergebnisse:
1) Fotodokumentationen (7000 Fotos)
2) ANISA Messlinie: Längenrückzug und Massenbilanz des Gletschers
3) Müll-Archäologie auf dem Gletscher (etwa 500 Objekte aufgesammelt)
4) Kritik an dem Tourismusmanagement, das den Massentourismus fördert
5) Kritik der Gletscherbewirtschaftung mit deren radikalen Eingriffen
6) 2001 Erstellung eines Profils in der Stirnmoräne des Hallstätter Gletschers für Radiokohlenstoffdatierungen mit Prof. Gernot Patzelt
7) Anreicherung von Radioaktivität in Kryokoniten (Schmutzrinde) auf Schladminger und Hallstätter Gletscher
8) Dokumentationen des Hallstätter Gletschers
9) Zusammenfassung
Blick vom Hohen Gjaidstein zum Schladminger und Hallstätter Gletscher mit Hohen Dachstein (2995 m). Foto: ANISA/Mandl, 02.09.2023
Einleitung
Das Dachsteingebirge inmitten Österreichs ist Teil der Nördlichen Kalkalpen, die sich von Wien bis zum Bodensee erstrecken. Im Norden davon liegt der weltbekannte Ort Hallstatt und im Süden die steirische Ramsau. Das Gestein im Gletschervorfeld besteht zum überwiegenden Teil aus gebanktem Dachsteinkalk (Geologische Karte der Dachsteinregion, Wien 1998). Die sieben stark abschmelzenden Dachsteingletscher sind die östlichsten Gletscher der Alpen und befinden sich in einer Höhe zwischen 2210 m und 2900 m.
Anmerkung zur Gletscherforschung
Die Dokumentation des Längenrückzugs und der Absenkung der Eisdecke des Gletschers sind einfache Tätigkeiten, die durchaus ehrenamtliche Mitarbeiter durchführen können. Was für die Dachsteingletscher jedoch fehlt, sind Sedimentanalysen und Gletschereisdatierungen. Hier könnte man wichtige Ergebnisse zur Bodenbedeckung, der Gletschergeschichte und Kontaminierung erzielen. Die ANISA hat schon 2001 mit Prof. Dr. Gernot Patzelt am Rande des Hallstätter Gletschers Radiokohlenstoffdatierungen durchgeführt. 2019 ist darüber ein Beitrag von G. Patzelt in www.anisa.at erschienen.
Wetter 2023:
Am 25. Juli war der Schladminger Gletscher zu 50% schneefrei. Der Juli war überdurchschnittlich warm. Im Tal gab es mehrere Unwetter mit Stürmen. Am 31. Juli war der Gletscher zu 70% schneefrei. Im Eissee schwammen noch von den Baggern hineingeschobene verschmutzte Eis- und Schneemassen. Vom 6. bis 8. August erfolgte eine Abkühlung mit Schneefall (30 cm) auf den Gletschern. Erst am 10. August schmolz der Frühjahrsschnee im unterem Bereich der ANISA-Messlinie ab. Bereits am 14. August war der Neuschnee zur Gänze abgeschmolzen. Am 19. August hatte sich der Gletscher am unteren Randbereich der Messlinie erst um 20 cm zurückgezogen, weil dorthin eingewehter Schnee lange liegen bleibt. Am Gletscherrand mit der Randkluft liegt durch die Windverfrachtung oft noch viel Schnee, der sich an den dortigen Felsen ablagert. Nach einer sehr warmen Woche hatte sich der Gletscher am 26. August um weitere 2,4 m zurückgezogen. Die Eishöhe nahm um 60 cm ab. Der Gletscher war zu 98% schneefrei. Von 28. bis 30. August schneite es wieder auf den Gletschern. Eine 10 cm hohe Schneedecke schützte das Eis mehrere Tage vor dem Abschmelzen. Am 2. September betrug der Rückzug des Gletschers bereits 3,2 m. Die Eisdicke hatte um 1,1 m + 14,5° Hangneigung abgenommen. Die Gletscherbäche auf der Oberfläche des Gletschers rieselten, gurgelten und flossen zu den Randklüften sowie in den Eissee hinab. Am 20. September betrug der Rückzug bereits 4,25 m. Am 21./22. September schneite es neuerlich 10 cm. Danach gab es bis zum 14. Oktober neuerlich eine überdurchschnittlich warme Wetterlage, die die Gletscher zusetzten. Am 13. Oktober hatte sich der Gletscher um 5,4 m zurückgezogen, und war zu 100 % schneefrei. UTM: E 397058-N 5258456, 2526 m. Insgesamt erwies sich der Sommer als überdurchschnittlich warm. Der September war sogar der wärmste der bisherigen Messgeschichte. Die Gletscherschmelze wurde von 10. August bis 13. Oktober von uns dokumentiert.
Aktuelle Informationen und Rückblicke
Die Lifte auf dem Schladminger Gletscher wurden abgebaut. Die rasante Eisabsenkung hatte zuvor zu immer wiederkehrenden Anpassungen der Liftstützen gezwungen. Die Schneedepots neben der Nordwand des Koppenkarsteins bleiben für den Langlaufsport erhalten. Zusammenfassend kann während der 54-jährigen Bewirtschaftung des Schladminger Gletschers ein erheblicher nachteiliger Eingriff durch Verschmutzung, Vermüllung und Baggerarbeiten beobachtet werden.
Der noch nicht abgeschmolzene bis zu 60 m tiefe Eiskörper des Schladminger Gletschers dürfte bereits ein vorgeschichtliches Alter aufweisen. Für eine Datierung müssen jedoch Proben entnommen werden. Das ist nicht vorrangig das Ziel unserer Gletscherdokumentation und sollte von Glaziologen durchgeführt werden.
Eine ausreichende Humusbildung im Gletschervorfeld der Dachsteingletscher für einen Baumbewuchs dürfte mehrere Jahrtausende benötigen. Im 170 Jahre altem Randbereich der Moräne wachsen derzeit nur angepasste Moose und Pionierpflanzen. Von einer nennenswerten Humusbildung kann erst außerhalb des Gletschervorfeldes gesprochen werden. Diese Böden haben sich bereits im Postglazial vor etwa 10.000 Jahren bzw. nach 8200 Jahren gebildet. Näheres findet der Leser unter: GeoSphere Austria https://www.zamg.ac.at/cms/de/images/klima/bild_ip-klimawandel/klimavergangenheit/palaeoklima/3-1_2_zeitreise. Die Tabelle mit der Temperaturaufzeichnung seit 1760 ist dort ebenfalls zu finden.
Temperaturverlauf von 1760 bis 2023. Quelle: GeoSphere Austria (ZMAG)
Erstmals wurden 2023 zwei mal 15 Grad auf der Sonnblickmessstation auf 3106 m gemessen. Betrachtet man die Temperaturkurve, dann sehen wir ab 1850 eine moderate Erhöhung bis 1880. Von 1880 bis 1926 wird es etwas kälter, doch ab 1927 steigen die Temperaturen wieder kontinuierlich. Ab 1982 beginnt die Temperaturkurve steil nach oben zu steigen und erreicht 2023 in diesem Abschnitt der Klimaanormalität eine Fiebertemperatur von + 1,7°. Dementsprechend rascher schmelzen nun unsere Gletscher ab. Von einstmals annähernd 1 m Eisdickenreduzierung pro Jahr sind es in den letzten Jahren auf dem Schladminger Gletscher durchschnittlich 2 m geworden.
Klimawandel durch menschenverursachter Klimaerwärmung
Wie erklärt man die derzeitige rasante Klimaerwärmung?
Wenn früher sich nachhaltige Klimaänderungen in Jahrhunderten bzw. Jahrtausenden vollzogen haben, ist nun eine Warmzeit angebrochen, die im alpinen Raum in wenigen Jahrzehnten eine durchschnittliche Temperaturerhöhung um 2° C ermöglichte. Es sind vor allem die Treibhausgase, die wir in die Atmosphäre blasen und die diesen Raketenstart in die Katastrophen ermöglichen.
Gletscherbegehungen und Gletschermessungen 2023
Der Schladminger Gletscher war am 20.09.2023 zu 100% ausgeapert. Der Bereich unserer Messlinie ist möglicherweise noch von einem etwa 50 m tiefen Karsttal geprägt. Das bedeutet, dass der Gletscherrückgang einer Steilstufe nach unten folgt und auch die Hangneigung zur Nordwand des Koppenkarsteins zwischen 14,5° Steigung berücksichtigt werden muss.
Blick vom Hohen Gjaidstein (2794 m) zum Schladminger Gletscher mit Koppenkarstein (2863 m), Hunerkogel (2687 m) mit Bergstation, eingezeichneter ANISA-Messlinie und dem Gletscher-Vorfeld. Foto: ANISA/Mandl, 02.09.2023. Der Gletscher reichte auf der Ostseite des Hunerkogels um 1850 noch 60 m höher hinauf, wie dies durch die dunkle, vom Eis abgedeckte Zone der Felswand auf einer Abbildung von 1930 klar belegt. Friedrich Simony schreibt in seinem Dachsteinwerk (1895,139): Ebenso haben sich die Firnmassen des Gletschers inzwischen merklich erniedrigt, denn der Gipfelrücken des Hunerkogels, welcher in den Sechzigerjahren [Betrachtung des Zeitraumes zwischen 1867 und 1885] auf der Spitze des kleinen Koppenkarstein noch nicht zu sehen war, überhöht daselbst gegenwärtig als schmaler dunkler Saum den obersten Firnrand. Dies entspricht der Höhe der heutigen Terrasse der Bergstation auf 2687 m. Für die Errichtung der Bergstation wurde zu Ende der 1960er Jahre der Gipfel des Hunerkogels weggesprengt. Der Gletscher erreicht heute am Wandfuß des Hunerkogels die Höhe von 2625 m. Das ergibt einen Höhenunterschied von ~60 m. Der horizontale Blick gegen Süden verursacht eine erhebliche Perspektivenverkürzung!
ANISA-Koppenkarstein-Messlinie 2023
Die Messlinie der ANISA zieht sich vom Messstein bis zur Nordwand des Koppenkarsteins durch ein seichtes Karsttal. Das bedeutet, dass sich der Gletscher in einen Gegenhang zurückzieht, wodurch sich sein Längenrückzug erheblich verlangsamt.
Die durchschnittliche jährliche Abnahme der Eisdicke kann aus dem jährlichen Längenrückzug sowie der Hangneigung und der Talneigung errechnet werden
Begehung: 13.10.2023
Vom 13.9.2022 bis 13.10.2023 zog sich der Gletscher an unserer Messstelle um 5,4 m zurück. Die Eisdicke nahm unter Berücksichtigung der Hangneigung (14,5°/10 m) insgesamt um 3,1 m ab. UTM T33 397058-5258456, 2526 m
In den 76 Jahren von 1947 bis 2023 zog sich der Gletscher um 116,12 m zurück. Die Eisdicke nahm bei einer Hangneigung von 14°/28 m insgesamt um 51 m ab. Deren durchschnittliche Abnahme lag also bei 0,67 m/Jahr.
In den 56 Jahren zwischen 1947 und 2003 zog sich der Gletscher lediglich 15,35 m zurück und die Eisdicke senkte sich um 11,34 m, das entspricht lediglich 0,2 m/Jahr. Dieser langsame Rückzug ist mit der beinahe senkrechten 11,32 m hohen Stauwand und der Stagnation des Gletscherrückgangs zwischen 1947 und 1985 zu erklären. In diesem Zeitraum kam es auch zu kleinen Gletschervorstößen. Noch vor 50 Jahren existierte in diesem Bereich ein steiler Eisrücken.
Der Sommer 2003 war ungewöhnlich warm. Bis 2023 häuften sich warme Sommer, daher zog sich der Gletscher in diesem Zeitraum um 100,77 m zurück. In diesen 20 Jahren nahm die Eisdecke unter Berücksichtigung der Hangneigung von 14°/26 m insgesamt um 30,6 m ab, was einem Durchschnittswert von 1,83m/Jahr entspricht. Die Eishöhe senkte sich im überdurchschnittlich warmen Jahr 2022 an unserer Messmarke um 3,5 m. Auch 2023 wurde die 3-m-Grenze überschritten.
Diese Eisdickenabnahme korreliert mit dem abgebildeten Temperaturverlauf von 1760 bis 2023. Quelle: GeoSphere Austria (ZMAG). Der derzeit verwendete Durchschnittswert der Eisdickenabsenkung unserer Alpengletscher wird seit dem Maximalvorstoß um 1850 mit ~1 m angegeben (A. FISCHER, 2023, 30). Auch wir verwenden diesen Wert.
Messlinie am 13.10.2023. Foto: ANISA/Mandl
Gjaidsteinsattel. Bis zur Trennung zwischen Schladminger und Hallstätter Gletscher fehlen noch 28 m. Foto: ANISA/Mandl, 13.10.2023
Blick auf die Ostseite des Schladminger Gletschers mit der hier beginnenden Taleinsenkung. Foto: ANISA/Mandl, 19.08.2023
Osthang (tiefste
Stelle des Schladminger Gletschers
Begehung: 29.07.2022
Gjaidsteinsattel
Gjaidsteinsattel, 2621 m. In der Hübnerkarte von 1899 liegt der Sattel auf 2649 m. Der Gletscher erreichte um 1880 noch die 2668 m hoch gelegene Kuppe, auf der heute ein Strommast für die Versorgung der Lifte steht.
Tachymetermessungen für das ANISA-Gletscherprofil: 18.08.2014 und 10.09.2021
Am Gjaidsteingrat wurden beim Strommast (2660 m) und beim Wegweiser (2642 m) Tachymetermessungen durchgeführt.
Gletschersee
2003 bildete sich erstmals ein kleiner Gletschersee mit einer Schwinde, in die das Wasser abfließen konnte. Mit dem zurückweichenden Gletscher verschwand dieser See und es bildete sich 2010 weiter südlich ein viel größerer See. Zuerst unauffällig, vergrößerte er sich Jahr für Jahr und erreichte 2021 eine Länge von 100 m. 2023 hatte er bereits einen Durchmesser von 140 m. Sein Abfluss erfolgt ebenfalls durch eine Schwinde. Der Seespiegel bleibt aber weitgehend stabil.
Schladminger Gletscher Bildteil 2023
Der Auf- und der Abstieg zu den Gletscherdokumentationen erfolgten wegen der Ausbauarbeiten auf der Bergstation über die gut gesicherte Hunerscharte (2602 m). Foto: F. Mandl, 29.09.2023.
Hochalpine Baustelle. Hunerkogel, Hunerscharte. Die Bergstation wird für die Besuchermassen aufgestockt. Noch in den 1930er Jahren war dieser Standpunkt von einer 40 m hohen Eisdecke überlagert. Foto: ANISA/Mandl, 13.10.2023.
Der verschmutzte Schnee wird in einigen Wochen mit dem abtauenden Eis in die Eisschwinden rinnen. Baggerarbeiten am immer schwieriger werdenden Zugang zum Rosmarie-Stollen. Foto: ANISA/Mandl. Foto: ANISA/Mandl, 02.09.2023.
Damit der Aufstieg über die Leiter zum Rosmarie-Stollen in der Koppenkar-Nordwand weniger hoch ist, wurde Schnee aufgebracht. in den 1970er Jahren konnte man ohne Aufstiegshilfe durch den Stollen gehen. Foto: ANISA/Mandl, 02.09.2023.
Schneedepots für den Langlaufsport. Foto: ANISA/Mandl, 02.09.2023.
Blick zur Koppenkarstein Nordwand. Gut zu erkennen ist der Gletscherstandsstreifen im unteren Bereich der Wand aus der Zeit des Maximalstandes um 1850. Foto: ANISA/Mandl, 13.10.2023.
Gjaidsteinsattel mit abgedecktem Eispalast am 02.09.2023. Foto: ANISA/Mandl. Foto: ANISA/Mandl
Der Gletschersee und die bis zu 53 Jahre alten Altlasten der Motoren des Sommer- und Winterskilaufs
Schladminger Gletscher. Blick über das kontaminierte Eis zum Gletschersee. Foto: ANISA/Mandl, 29.09.2023.
Schladminger Gletscher. Der vom Schmelzwasser gespeiste Gletschersee hat inzwischen einen Durchmesser von 140 m. Foto: ANISA/Mandl, 29.09.2023.
Schladminger Gletscher. Altlasten wie Rückstände von Öl der Liftmotorenwurden wurden in den Schmelzwasserzufluss des Eissees geschoben. Foto: ANISA/Mandl, 02.09. 2023.
Schladminger Gletscher. Das Schmelzwasser fließt teils direkt durch die Altlaststoffe in den Eissee. Foto: ANISA/Mandl, 20.09. 2023.
Schladminger Gletscher. Bis zu 52 Jahre alte Rückstände von Motoröl etc. sind nun frei sichtbar im Uferbereich des Eissee. Foto: ANISA/Mandl, 29.09.2023.
Schladminger Gletscher, Detail. Bis zu 52 Jahre alte Rückstände am Ufer des Eissee werden weggeschwemmt. Diese sichtbare Altlast ist eigentlich nur noch ein kleiner Rest der einstigen Masse. Ein Teil dieser giftigen Stoffe sind bereits mit mit dem Schmelzwasser in die Schwinden Richtung Hallstätter See geschwemmt worden. Auf diesem Missstand haben wir bereits im Gletscherbericht 2003 (F. MANDL, 2003,236-246) hingewiesen. Nun sollte es eigentlich die Aufgabe des neuen Betreibers sein, diesen zum Himmel schreienden Missstand ordnungsgemäß zu entsorgen! Foto: ANISA/Mandl, 29.09.2023.
Rückblick. Schladminger Gletscher 2003 im heutigen Bereich des Gletschersees. Schon damals sind in die dortigen Schwinde Schmutz und Ölrückstände abgeflossen. Foto: ANISA/Mandl, 03.08.2003.
Am 13. 10. 2023 war der giftige Altlast bereits in den See geschwemmt worden. Foto: ANISA/Mandl, 13.10.2003.
Schladminger Gletscher. Lacke im Bereich des Gjaidsteinsattels mit kontaminierten Ufersaum. Foto: ANISA/Mandl, 29.09.2023.
Schladminger Gletscher. Baustelle im Bereich der Hunerscharte. Foto: ANISA/Mandl, 29.09.2023.
Schladminger Gletscher. Der Gletscher zieht sich auch von der Hunerscharte zurück. Foto: ANISA/Mandl, 29.09.2023.
Schladminger Gletscher. Gereinigte Eisoberfläche im Bereich der einstigen Lifttrasse. Foto: ANISA/Mandl, 29.09.2023.
Entschärfung der letzten Gletscherspalte am Hunerkogel mit Bagger-Eisgranulat. Foto: ANISA/Mandl, 20.09.2023.
Baggerschaufeln kratzen im Eis. Im Ötztal ist das eine Pressemeldung wert. Foto: ANISA/Mandl, 20.09.2023.
Wasserlacke im Gletschereis. Foto: ANISA/Mandl, 02.09.2023.
Bergstation des Mittersteinliftes. Foto: ANISA/Mandl, 20.09.2023.
Müll und Russablagerung. Foto: ANISA/Mand, 02.09.2023.
Wir betreiben auch Gletschermüll-Archäologie. Foto: ANISA/Mandl, 02.09.2023.
Der Hallstäter Gletscher vom Gipfel des Hohen Gjaidsteins
Blick vom Hohen Gjaidstein auf den Hallstätter Gletscher. Foto: ANISA/Mandl, 02.09.2023.
Hallstätter Gletscher mit Gletscherzunge. Foto: ANISA/Mandl, 02.09.2023.
Die Gletscherzunge des Hallstätter Gletschers weist bereits Auflösungstendenzen auf. Foto: ANISA/Mandl, 02.09.2023.
Hallstätter Gletscher, Eisstein mit seiner nördlichen Felseninsel. Foto: ANISA/Mandl, 02.09.2023.
Hallstätter Gletscher mit der Dachsteinwartehütte (Seetalerhütte) am 02.09.2023. Am 20.09.2023 war auch diese Schneeauflage großteils abgeschmolzen. Foto: ANISA/Mandl, 02.09.2023.
Blick vom Kleinen Gjaidstein auf den Hallstätter Gletscher. Blankes Eis auf dem Hallstätter Gletscher. Nur noch ein winziger Schneesaum liegt am Rand der Wände. Foto: ANISA/Mandl, 13.10.2023.
Blick vom Kleinen Gjaidstein auf die Zungen des Hallstätter Gletschers. Foto: ANISA/Mandl, 13.10.2023.
Allgemeine Hintergrundinformationen
Berücksichtigt man im Luftbild als Messpunkte die sichtbaren Moränen, Schotterflächen, Erosionsflächen, Vegetationsgrenzen und den Gjaidsteinsattel, so erreichte die max. Fläche des Schladminger Gletschers mit Einbeziehung der Gjaidsteinosthänge (ohne Berücksichtigung der Horizontalprojektion) 1850 annähernd 3 km². Der Umfang betrug etwa 9 km. (Quelle: Orthofoto, DORIS-Intermap des Landes Oberösterreich, 2015.)
Friedrich Simony (1895, 137) gibt für den Schladminger Gletscher für die Zeit um 1880 eine Fläche von 199 ha an. Erik Amberger/Erwin Wilthum errechneten 1951 für den Schladminger Gletscher folgende Ausdehnungen: 1856/225 ha, 1872/199 ha, 1899/180 ha, 1928/125 ha, 1934/97 ha, 1951/81 ha. Das entspricht einen Flächenverlust von 64% zwischen 1856 und 1951.
2022 weist der Schladminger Gletscher eine Fläche von nur noch annähernd 0,60 km² auf. Das entspricht etwa einem Fünftel der ursprünglichen Fläche. Der Umfang beträgt 3,6 km (Orthofoto, DORIS-Intermap des Landes Oberösterreich, 2015). Der Eismassenverlust ist als fundamentaler Wert zu betrachten. Da nicht nur vier Fünftel an Gletscherfläche verloren gegangen sind und auch vom letzten verbleibenden Fünftel etwa die Hälfte bereits abgeschmolzen ist, kann man lediglich von einem verbleibenden Zehntel der Eismasse von 1850 ausgehen. Wegen der fehlenden Werte zu den Eishöhen bzw. mangels der dazu notwendigen verlässlichen Profile sind diese Angaben als Überschlagsrechnungen zu werten. Wesentlich für die Abnahme der Gletschermasse auf unseren Karst- und Kargletschern ist die Abnahme der vertikalen Eishöhe und nicht der Längenrückgang eines Gletschers. Mit Eishöhenprofilen kann die Massenbilanz genauer berechnet werden. Der Hallstätter Gletscher verlor seit 1850 ungefähr die Hälfte seiner Fläche und drei Viertel seiner Masse. Dennoch kann vermutet werden, dass sich durch den Rückzug auf größere Höhen und die dort herrschenden tieferen Temperaturen der Längenrückzug und der Eismassenverlust verlangsamen werden. Bei Radartiefenmessungen auf dem Schladminger Gletscher von 2007, die der Bewirtschafter der Gletscher in Auftrag gegeben hatte, wurden immerhin Tiefen bis zu 130 m erreicht. Falls diese stimmen (man sollte diesen Messungen Ungenauigkeiten zugestehen, da am unteren Gletscherrand angegebene Tiefen von bis zu 50 m inzwischen eisfrei oder beinahe eisfrei geworden sind), wird der Schladminger Gletscher möglicherweise noch in 30 Jahren als kleiner toter Eiskörper in einer Karstgrube an einen Gletscher erinnern.
Der vom Koppenkarstein herabgestürzte Sprengschotter vom Bau der Militärstation Anfang der 1970er-Jahre hat 2014 das Gletscherende erreicht. Zwischen Felswand und Schotterkegel entstand in den vergangenen 51 Jahren ein Abstand von 260 m. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass sich der Schuttkegel erst an einer flacheren Stelle auf dem Gletscher bildete und nicht gleich an der sehr steilen Wandzone. Zusammenfassend kann im letzten Jahrzehnt eine verstärkte Abnahme der Eismasse festgestellt werden, die mit der derzeitigen wissenschaftlich belegten anthropogen beeinflussten Klimaerwärmung korreliert.
Auf dem etwa 100 m höher gelegenen Gjaidsteinsattel wurden ähnliche Verhältnisse wie bei unseren beiden Messsteinen am Rand des Schladminger Gletschers vorgefunden. 1896 berichtet M. Groller, dass der Grat an der Schneide der beiden benachbarten Gletscher mit einer sehr zerklüfteten und verwitterten Endkuppe (2668 m) unter dem Firn verschwinde. Diese Endkuppe kann nur die Erhebung, auf der heute ein Strommast steht, sein. Die hier 2014 durchgeführte Tachymetermessung ergab ebenfalls die Höhe von 2668 m! In der Gletscherkarte von A. Hübner 1901 reichte das Eis am Gjaidsteinsattel nur noch bis 2649 m. Vom Strommast bis zum nur noch 28 m/2023 breiten Gletscherdurchgang am Gjaidsteisattel hat sich der Gletscher um 237 m zurückgezogen (GPS und DORIS-Intermap).
Die Denudationsentwicklung des Dachsteinkalks an den eisfrei gewordenen Bankungen und Karstgassen am Rande des Schladminger Gletschers
Die Denudation der aus dem Eis geaperten Karstgassen ist an deren Seitenwänden geringer als auf deren kantengerundeten Graten. Die in diesen Gassen angesammelten Steine liegen auf dem Eis und weisen eine beachtliche Masse auf, die an den Wänden durch das Mitsinken frische Runsen und Kratzer hinterlassen. Die vom Gletschereis frei gewordenen Karstgassen liegen in einem nur leicht geneigten Gelände in einer wilden zerklüfteten Karstlandschaft quer zum Gletscherabfluss. Das einstige in den Karstgassen und Dolinen gestaute Eis konnte dem oberen Gletscherabfluss nicht folgen. Diese Eislager erreichten Höhen bis zu 30 m. Der Denudationsunterschied zu weiter entfernten Klüften und Karstgassen ist hier viel geringer. Zweifellos ist das 2017 frei gewordene Areal viel länger unter einer Eisdecke gelegen als das hinter der Messmarke von 2003. Mit einer Datierung dieses Denudationsspektrums könnten wichtige Daten zu Langzeitständen des Gletschers und zur Klimageschichte der letzten 12.000 Jahre gewonnen werden. Vgl. dazu den Beitrag zur 12.000-jährigen Klimageschichte auf den Seiten der GeoSphere Austria: https://www.zamg.ac.at/cms/de/images/klima/bild_ip-klimawandel/klimavergangenheit/palaeoklima/3-1_2_zeitreise.
Glazialerosion
Die Glazialerosion formte ein postglaziales (nacheiszeitliches), hufeisenförmiges Gletscherbett. So entstand ein Kar mit allen durch die Ablation sichtbar gewordenen Merkmalen eines Gletschers: Stirn- und Seitenmoränen, Schotterablagerungen, erodierten Felsen, einem kleinen Eissee und einem beinahe bewegungslosen, absterbenden Eiskörper. Die Eishöhe dieses Gletscherareals im Jahr 1850 lässt sich an der Nordwand des Koppenkarsteins an dunkel bzw. hell verfärbten Rändern erkennen. Dieser Durchschnittswert wurde nur durch Klimaschwankungen verändert. Die Klimaforschung belegt für die Alpen zwischen 4000 bis 2000 vor Chr. eine Klimaerwärmung um 2° bis 3 °C. In diesem Zeitabschnitt sind unsere Gletscher weitgehend abgeschmolzen (vgl. Das Lexikon zu Glaziologie, Schnee- und Lawinenforschung der Schweiz. Hrsg. v. d. Redaktion Schweizer Lexikon und der Gletscherkommission der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften. Luzern 1993). Die ältesten noch erhaltenen Eisreste in den Karstgassen und Dolinen des Schladminger Gletscherareals könnten jedoch wegen der extremen Nordstaulage älter als 4000 Jahre sein. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Zeit des prähistorischen Klimaoptimums mit der Neolithischen Revolution korreliert. Es ist eine Kulturrevolution und Aufbruchszeit des Ackerbaues und der Viehzucht. Dazu kommt später die Metallverarbeitung von Kupfer und Bronze. Für diese Erneuerung wurden von Asien (bereits ab 8000 v. Chr.) bis Europa riesige Brandrodungen durchgeführt, die sogar noch in den südlich gelegenen Alpen nachweisbar sind (vgl. PATZELT, Gernot: Datierung von Feuerstellen in prähistorischen Hirtenhütten im Waldgrenzbereich ostalpiner Gebirgsgruppen. Praearchos 4/2013, 34, 60-63). Zweifellos haben diese Brandrodungen mit ihren gewaltigen Kohlendioxyd-Emissionen erstmals in der Menschheitsgeschichte eine anthropogene Klimaerwärmung verursacht! Dazu benötigte der neolithische Klimawandel mehrere tausend Jahre. Der aktuelle industriell verursachte Klimawandel hat dagegen in nur 200 Jahren eine solche Klimaerwärmung, die zudem noch weiter fortschreitet, zu Stande gebracht.
Literatur:
ARNBERGER, Erik/WILTHUM, Erwin: Die Gletscher des Dachsteinstockes in Vergangenheit und Gegenwart. In: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines. 97. Band, Linz 1952, 181-214.PATZELT, Gernot: Die prähistorische Gletscher- und Vegetationsentwicklung im Bereich des Hallstätter Gletschers (Dachsteingruppe). https://www.anisa.at/Hallst%C3%A4tter%20Gletscher,%20Dachsteingruppe_Patzelt_2019.html
REINGRUBER, Klaus: Gletscherrückgang am Beispiel Dachstein. In: bergundsteigen,
100 (2017), 64-66.
REITMAIER, Thomas (HG.): Gletscherarchäologie. Kulturerbe in Zeiten des
Klimawandels. Darmstadt 2021.
SIMONY, Friedrich: Das Dachsteingebiet. Ein geographisches Charakterbild aus den
Österreichischen Nordalpen. Wien 1895. 124-150.
SIMONY, Friedrich: Über die Schwankungen in der räumlichen Ausdehnung der
Gletscher des Dachsteingebirges während der Periode 1840 - 1884. In:
Mitteilungen der Kais. Königl. Geographischen Gesellschaft in Wien. Band XXVIII,
1885, 117.
TIEBER, Alexandra/LETTNER, Hebert/HUBMER, Alexander/BOSSEW, Peter/SATTLER,
Birgit: Anreicherung von Radioaktivität in Kryokoniten (Schmutzrinde) auf dem
Hallstätter Gletscher. In: Forschungeberichte der ANISA 2, 2009, 177-180.
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