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Forschungsberichte der ANISA für das Internet. 1, 2016 (ANISA FB 1, 18, 2014)
Der Masseverlust und die Absenkung des Eises des Schladminger Gletschers zwischen 1850 und 2014 (Dachsteingebirge, Oberösterreich)
Ein Vergleich der Profile von 1850 und 2014
Franz Mandl
Einleitung
Ziel dieses Beitrages ist eine zusammenfassende bildliche Darstellung der Gletscherdokumentationen für den interessierten Leser. Er belegt ein immer rascher fortschreitendes Abschmelzen des Gletschers aufgrund der globalen Klimaerwärmung. Deren Auswirkungen spüren wir durch die gegenwärtigen Wärmerekorde hierzulande. Sie dürfte aber auch jene katastrophalen Wetterereignisse in Norditalien und Kärnten verursachen, von denen wir in den letzten Jahren hören mussten. Dazu kommen lokale Ursachen, die den Gletscher beeinträchtigen, wie der immer weiter ausufernde Massentourismus. Rußpartikel, die den Gletscher dunkel färben, tragen dazu ebenso bei wie die Abgase, die den Treibhauseffekt fördern, der wiederum die Gletscherschmelze beschleunigt.
War der Schladminger Gletscher bis zur seiner Kommerzialisierung 1969 nichts anderes als ein Stückchen reine Natur, so ist er ab diesem Zeitpunkt zum Spiel- und Spaßgarten des Massentourismus mit all seinen negativen Auswirkungen für eine hochalpine Bergwelt geworden. Da durch die Klimaerwärmung der Schilauf auf dem Gletscher nicht mehr ganzjährig möglich ist, versucht man Touristen durch andere Angebote anzulocken. Seit die Sommercard Gästen ermöglicht, die Seilbahn von der Ramsau gratis zu benutzen, ist der Ansturm auf den Gletscher während der Sommersaison enorm gestiegen. Die Halbschuhtouristen, die nun ratlos vor einer schmutzigen und nassen Gletscheroberfläche stehen, müssen unterhalten werden. Daher gibt es inzwischen vielfältige Angebote, doch weitere Ausbauten und Neubauten warten auf den Planungslisten. Die Erhöhung der Gletscherfrequentierung ist in unserer allgemeinen desaströsen Wirtschaftslage anscheinend ein unausweichlicher Weg, um ein insolventes System aufrechtzuerhalten. Nur auf dem Papier stehen Naturschutzgesetze, die Neubauten eigentlich verhindern sollten, denn die Politik beugt sich mit Ausnahmeregelungen.
Der Schladminger Gletscher
Profile sind Schnitte durch eine Masse. In unserem Fall handelt es sich um Gletschereis. Der hier abgebildete Schnitt durch die Gletschermasse von 1850 wurde nach den Beschreibungen von Friedrich Simony sowie seiner hier abgebildeten Lithographie erstellt und berechnet. Simonys Buch "Das Dachsteingebiet. Ein geographisches Charakterbild" erschien 1895. Simony war erstmals 1840 im Dachsteingebirge wissenschaftlich tätig und führte dort 50 Jahre lang Feldforschungen durch. Er erlebte und dokumentierte den letzten gewaltigen Gletschervorstoß der zu Ende gehenden kleinen Eiszeit und den danach einsetzenden Rückzug des Eises bis 1890.
Abb. 1
Friedrich Simony hat uns ein Aquarell mit dem Titel "Modereck-Alpe auf dem Dachsteingebirge", das 1854 auch als Farblithographie gedruckt wurde, hinterlassen. Das Bild zeigt den Schladminger Gletscher mit seiner größten neuzeitlichen Ausdehnung. Erst 1885 fertigte Friedrich Simony Abbildungen des Gletschers für sein geplantes Dachsteinwerk an. Diesmal sind es bereits Fotografien. Im Gegensatz zum Hallstätter Gletschers, der bereits ab 1840 durchgehend dokumentiert wurde, fand der etwas abgelegenere Schladminger Gletscher weniger Beachtung. Das von Simony 1854 veröffentlichte Bild ermöglicht jedoch einen ausgezeichneten Überblick über die Ausdehnung und Gliederung des Schladminger Gletschers zur Mitte des 19. Jahrhunderts..
Der Gletscher wurde vom Niederschlag, dem Lawinenschnee des Koppenkarsteins und vom Eis des Hallstätter Gletschers aus dem Bereich des Gjaidsteinsattels genährt. Aus der Sicht der 4 km entfernten Modereckalpe ist eine deutliche Wölbung des Gletscherendes zu sehen. Noch 1950 berichtet Der untere Gletscherbereich steigt leicht gegen die 280 m hohe Steilstufe an und erreicht in einer Höhe von etwa 2400 m bis 2450 m die Mitte des Steilabfalls. Das Eis ist hier mehr als 100 m und maximal 200 m dick. Der Steilaufschwung zum oberen Gletscherplateau ist durch die hohe Eisüberdeckung gering. Der Gletscher reicht bis zur Höhe der Austriascharte 2736 m und zieht sich beinahe waagrecht zum Gipfel des damals vom Firn überdeckten Hunerkogels 2687 m. Simony schreibt dazu 1895 im Kapitel über den Schladminger Gletscher (S. 138f.), dass der Gipfelrücken des Hunerkogels "in den Sechzigerjahren auf der Spitze des kleinen Koppenkarstein noch nicht zu sehen" gewesen sei, was auf eine Firnüberdeckung hinweist. Auf dem Bild sehen wir den Kleinen Gjaidstein 2734 m (links im Hintergrund des Kleinen Gjaidsteins sehen wir die die Dirndln, 2818 m), der als eigener Gipfel aus dem Eis ragt. Hier erreichte der Gletscher die nördliche Einsattelung auf 2685 m. Heute hat sich der Gletscher schon längst hinab zur Talstation des Schladminger Gletscher-Liftes auf ca. 2520 m zurückgezogen. Der Schladminger Gletscher fand aber auch entlang der Hänge des Hohen Gjaidsteins 2794 m und Niederen Gjaidsteins 2482 m mit beachtlichen Flächen seine Fortsetzung. (Spätere Lithografie für eine Ansichtskarte des Aquarells 1840/1850. Archiv ANISA)
Das Profil des Schladminger Gletschers
Das Profil zeigt einen Schnitt durch den Gletscher von der Endmoräne über unsere Messsteine und weiter bis zum Gipfel bzw. zur Bergstation des Hunerkogels. Die Darstellung verwendet die Geländeoberfläche von 2009 aus dem GIS-Steiermark als Basislinie. Die errechnete maximale Gletscherhöhe wurde darüber in der Farbe Blau eingetragen. Unter der Basislinie wurde der noch existierende Eiskörper rot eingezeichnet, wobei sich die Eishöhe an eine vom Betreiber 2007 im Auftrag gegebene Lasermessungen, die vom Institut für Glaziologie der Universität Innsbruck ausgeführt wurde, orientiert. Diese Messungen ergaben Eishöhen von bis zu 134 m. Diese Eishöhen müssen jedoch mit Vorsicht betrachtet werden, da die Karstformen unterhalb nicht bekannt sind. Da der Gletscherrest den jährlichen Ablationen nichts mehr entgegenzusetzen hat, wird die Masse dementsprechend weiter abnehmen. Roman Moser postuliert für den Schladminger Gletscher für 1850 eine Fläche von 2,163 km² (eigene Berechnungen der maximalen Gletscherfläche um 1850 ergeben eine Fläche von 2,598 km², ohne den Gletscheranteil entlang des Hohen Gjaidsteins einzubeziehen. Quelle: Orthofoto, DORIS -Intermap des Landes Oberösterreich) und einen Eisflächenverlust bis 1950 von 1,343 km². Der Eismassenverlust beträgt in den 100 Jahren bis 1950 nach seinen Berechnungen 129, 568.055 m³. Seither sind weitere 64 Jahre vergangen. Der Gletscher ist bis 2014 (laut Orthofoto, DORIS -Intermap des Landes Oberösterreich) auf eine Fläche von 0,680 km² geschrumpft. Nehmen wir hypothetisch eine durchschnittliche Eishöhe des Schladminger Gletschers von 50 m für 2014 an, ergäbe dies eine restliche Gletschermasse von 34 Millionen m³ Eis.
Abb. 2
Das Profil des Schladminger Gletschers zeigt den Gletscherstand von 1850 (blau) und von 2014 (rot).
Abb. 3 und 4
Der Schladminger Gletscher um 1850 und 2003. Eine Temperaturerhöhung von 2 C° in 164 Jahren reichte, um das Eis unserer Alpengletscher um mehr als die Hälfte abschmelzen zu lassen. Bild 3 zeigt die Gletscherausdehnung von 1850 und Bild 4 die von 2003. Leider fehlt uns eine Aufnahme von 2014 von diesen Standpunkt, die uns eine weitere gut sichtbare Verkleinerung zeigen würde. Fotos: Franz Mandl
Abb. 5
Messsteine mit Gletschermarken seit 1947.Vermesssung: Von der Messmarke 2014 bis zum Gletscherstand von 1947 sind eine vertikale Gletscherhöhenabsenkung von 30 m in Rechnung zu stellen. Die untere blaue Fläche zeigt den Gletscherstand von 2014 an. Daniel Brandner wird sein Profil in einem eigenen Beitrag beschreiben. Vermessung: Daniel Brandner und Franz Mandl; Abbildungen mit Profil: Daniel Brandner
Zusammenfassung:
Das Profil des Schladminger Gletschers mit seiner Maximalausdehnung wurde mit grob errechneten Größen rekonstruiert. Das von den Messsteinen ausgehende Profil konnte dagegen mit professionellen Messgeräten eingemessen und erstellt werden. Trotz gewisser Ungenauigkeiten belegt eine rasch fortschreitende Gletscherschmelze seit 1850 die globale Klimaerwärmung. Der Rest des Schladminger Gletschers hat die Form einer Linse, die den Toteiskörper dokumentiert. Eine Fließbewegung des Gletschers ist kaum noch erkennbar. Die Eiszufuhr aus dem Bereich des Hallstätter Gletschers wird durch den ausapernden Gjaidsteinsattel bereits seit mehreren Jahren unterbrochen. Der Massentourismus führte zu schwerwiegenden Zerstörungen auf dem Gletscher und in der Gletscherumgebung (siehe dazu die angeführten Links). Ein mit mehreren Naturschutzgesetzen geschützter Raum, der eigentlich unberührt hätte bleiben müssen, wird mit Sonderregelungen und Sondergenehmigungen weiter ausgebeutet. Die Naturschutzgesetze beugen sich den Interessen der Tourismuswirtschaft.
Literatur:
MANDL, Franz (1999): Der Schladminger Gletscher im Wandel der Zeit. In: Da schau her. Die Kulturzeitschrift aus Österreichs Mitte. 4/1999/S.34-38.
MANDL, Franz (2006): Der Schladminger Gletscher und sein Rückzug seit 1850. In: Alpen. Festschrift 25 Jahre ANISA, Verein für alpine Forschung. Mitteilungen der ANISA. 25. u. 26. Jahrgang. S. 228-246
MOSER, Roman/MAYR, Alfred (1959): Flächen und Massenverluste der Dachsteingletscher. In: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines. 104. Band, S. 179 u. 180.
SIMONY, Friedrich (1895): Das Dachsteingebiet. Ein geographisches Charakterbild aus den Österreichischen Alpen. Nach eigenen Photographischen und Freihandaufnahmen illustriert und beschrieben. [Textband] Wien, S. 138 u. 139]
Das Originalaquarell von Friedrich Simony: Die Modereck Alpe mit dem Koppenkarstein und dem Schladminger Gletscher, diente als ergänzende Informationsquelle. Das Bild wird im Naturhistorischen Museum in Wien unter der Inventarnummer 322 der Simonysammlung aufbewahrt.
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weiterführende Links:
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_ Dachsteingebirge_2017.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_ Dachsteingebirge_2016.htm
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http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2010.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2009.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2008.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_2003.htm
http://www.anisa.at/Gletscherzustandsbericht_1999.htm